Ein sehr lesenswerter Roman

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Elizabeth Gravers neuer Roman „Kantika“ erzählt eine Geschichte über die Suche nach Heimat und Zugehörigkeit, Liebe und Verlust. Diese kunstvoll gestrickte Familiensaga stützt sich auf das Leben und die Erfahrungen von Elizabeth Gravers eigener Großmutter, Rebecca Cohen, und umspannt dabei mehrere Generationen und Jahrzehnte.
Rebeccas Lebensreise beginnt in den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts in Konstantinopel (heute Istanbul), wo sie als Tochter einer wohlhabenden sephardischen Familie ohne größere Sorgen und Nöte aufwächst. Das soll sich jedoch endgültig ändern, als der erste Weltkrieg ausbricht. Ihr Vater verliert sein Vermögen, ihren Brüdern droht der Einzug in den Kriegsdienst und die Familie Cohen ist gezwungen ihre Heimat zu verlassen. Als die spanische Regierung heimkehrenden Sephardim eine Wiedereinbürgerung in Aussicht stellt, scheint sich ihnen ein Ausweg zu eröffnen, doch Barcelona stellt die Cohens vor schwere Herausforderungen und die temperamentvolle Rebecca muss lernen, wie sie sich als junge, jüdische Frau in dieser fremden Umgebung behaupten kann. Sie wird Geschäftsfrau, Braut, Mutter, Witwe, muss abermals ihr zu Hause und nun auch ihre Familie zurücklassen, doch jedes Hoch und jedes Tief packt sie mit derselben unermüdlichen Entschlossenheit und Charakterstärke an.
Mir hat „Kantika“ insgesamt überraschend gut gefallen, fesselnd mit seiner üppigen Prosa, der rauen Echtheit seiner Handlung und starken Charakteren. Nachdem ich ein paar Schwierigkeiten mit dem Einstieg in die Geschichte hatte, vor allem damit mich auf den Schreibstil einzulassen, hat mich das Buch im Verlauf unerwartet stark mitreißen können. Die Kapitel werden aus der Sicht der verschiedenen Cohen Familienmitglieder erzählt, wobei Rebecca stehts im Zentrum der Erzählung bleibt. Das hat mir gut gefallen, zum einen, weil es das Lesen abwechslungsreicher gemacht hat, zum anderen, weil die Familie und ihre Probleme dadurch gleichzeitig facettenreicher und greifbarer wurden. Überhaupt ist hier eine absolut mitreißende und berührende Mischung aus familiären Herausforderungen und der spezifischen Sorte von Schwierigkeiten gelungen, die damit einhergehen, Ziel religiöser Ausgrenzung und Verfolgung zu sein. Ich habe das Gefühl durch dieses Buch viel über Geschichte, Kultur und Alltag der Sephardim gelernt zu haben und empfinde es allein aufgrund dessen sehr empfehlenswert.
Die einzelnen Familienmitglieder, sowie die Figuren, die erst im späteren Verlauf der Geschichte ins Bild kommen, waren gut ausgestaltet, wobei Rebecca als zentrale Figur der Handlung, die meiste Aufmerksamkeit erhält. Obwohl ihre Persönlichkeit für mich insgesamt ein wenig zu blass rüberkam, fand ich ihre Entwicklung und ihren Umgang mit den Herausforderungen des Lebens sehr packend. Besonders in der zweiten Hälfte, da man diesen deutlichen Umschwung erkennen kann von dem jungen Mädchen, das kaum Wahlmöglichkeiten hat, zu der entschlossenen Frau, die Maßnahmen ergreift, um ihr Leben nach ihren Vorstellungen zu gestalten.
Alles in allem ein sehr lesenswerter Roman.