Familienroman der besonderen Art

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Ich lese selten generationenübergreifende Familienromane. Häufig ziehen sie sich für meinen Geschmack zu sehr in die Länge und jedes noch so triviale Ereignis wird viel zu detailliert dargestellt, unnötige Handlungsstränge und Verwicklungen erdacht. Wären dagegen mehr Bücher so wie Kantika, sehe dies ganz anders aus.
Kantika ist die Geschichte der Großmutter von Elizabeth Graver, der Autorin. Rebecca Cohen wird Anfang des 20. Jahrhunderts in Konstantinopel geboren. Sie ist die Tochter sephardischer Juden und wächst in gutbürgerlichen Verhältnissen auf. Doch ihre Familie verarmt mit der Zeit, der Vater sieht sich gezwungen, eine Stelle als Schammes anzunehmen, in Barcelona. Die Familie zieht dorthin, wird aber nicht heimisch: sie kann die Religion nicht offen ausüben, die versprochene spanische Staatsbürgerschaft bleibt aus, selbst für die dort geborenen Kinder. Rebecca versucht sich eine Existenz als Schneiderin aufzubauen und heiratet schließlich den einzig möglichen Kandidaten. Die nächsten Jahre führen sie schließlich nach Adrianopel, wieder zurück nach Barcelona und von dort über Havanna nach New York zu ihrem zweiten Mann.
Rebecca ist eine Person, die mich sehr beeindruckt hat. Sie muss große Verluste verkraften und sehr widrigen Umständen trotzen. Nie gibt sie jedoch auf, immer wieder kämpft sie sich aufs Neue durch. Besonders einprägsam fand ich ihren Umgang mit ihrer körperlich behinderten Stieftochter, der sie schließlich sogar zu einem eigenständigen Leben verhilft.
Kantika wird meist aus Rebeccas Perspektive erzählt. Manche Kapitel werden jedoch auch von anderen Familienmitgliedern erzählt. Die Sprache ist dabei immer präzise, gleichzeitig aber oft auch sehr poetisch.
Für mich ist Kantika ein kleines Highlight. Nichts anderes hatte ich auch erwartet, denn auf den Mareverlag ist eigentlich immer Verlass.
Aus dem Englischen von Juliane Zaubitzer.