Ein Aufenthalt in der Hölle

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buecherfan.wit Avatar

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Der südafrikanische Autor Roger Smith legte 2010 mit Kap der Finsternis (Mixed Blood, 2009) seinen Debütroman vor, der mit dem Deutschen Krimipreis 2010 (2. Platz Kategorie International) ausgezeichnet wurde. Zuvor hatte er sich als Drehbuchautor, Regisseur und Produzent einen Namen gemacht.

Der Amerikaner Jack Burn war durch Insolvenz und Wettschulden erpressbar geworden und wurde zu kriminellen Aktivitäten gezwungen. Als ein Coup gründlich schief ging, floh er mit seiner Frau Susan und seinem kleinen Sohn Matt nach Südafrika. Seitdem lebt er unter dem Namen John Hill in einer gemieteten Villa in einem reichen Viertel von Kapstadt. Eines Tages wird die Familie in ihrem Haus von zwei zugedröhnten Gangmitgliedern überfallen. Burn tötet die Angreifer und hat von da an ein Problem.

Benny Mongrel, der Nachtwächter der gegenüberliegenden Baustelle, hat die Eindringlinge beobachtet, aber er sieht sie nicht wieder herauskommen. Mongrel hat nach sechzehn Jahren im Knast einen Schlussstrich gezogen und lebt ein anständiges Leben, allerdings in miserablen Verhältnissen. Er hat ein durch einen Axthieb entstelltes Gesicht, und seine Tätowierungen bezeugen seine Jahre im Gefängnis und seine Position in der Hierarchie der Mongrels. Die Polizei, allen voran der rassistische, korrupte Bulle Rudi “Gatsby” Barnard, ein skrupelloser Mörder, interessiert sich für das in der Straße abgestellte Auto der Gangster. Barnard schöpft Verdacht, glaubt, dass der Amerikaner etwas mit dem Verschwinden der beiden Ganoven zu tun hat, die später auf einer Mülldeponie in den Cape Flats aufgefunden werden, und wittert eine Chance, an das große Geld zu kommen.

Dann ist da noch der farbige Sonderermittler Disaster Zondi vom Innenministerium, der zur Bekämpfung der Korruption nach Kapstadt geschickt worden ist. Rudi Barnard steht ganz oben auf seiner Liste. Keiner hat Barnards Treiben bisher ein Ende machen können, alle fürchten ihn. Er hat über Kollegen und Vorgesetzte Akten angelegt, von denen er bedenkenlos Gebrauch mahcen würde. Jeder, der sich ihm jemals in den Weg gestellt hat, hat mit seinem Leben dafür bezahlt. Ermittler Zondi hat persönlich eine alte Rechnung mit ihm offen. Als junge politische Aktivisten wurden er und sein Freund von Rudi Barnard festgenommen und gefoltert. Sein Freund starb während eines Verhörs. Dann gibt es noch die drogenabhängige Carmen Fortune und ihren alkoholabhängigen Onkel Fatty, Drogendealer, Gangmitglieder und eine Reihe von einfachen, Leuten, die alle in unsäglichem Elend leben, ohne Hoffnung auf Besserung, ständig von Vergewaltigung und Mord bedroht, sogar die Kinder.

Die Wege dieser Menschen kreuzen sich und es kommt zu einem Showdown, den nicht alle überleben. Es gibt viele Tote in diesem temporeichen Roman, viel Gewalt und unvorstellbare Brutalität - also nichts für Zartbesaitete. Die Guten sind absolut unterrepräsentiert - das sind eigentlich nur Sonderermittler Zondi und die hochschwangere Amerikanerin Susan Burn mit ihrem Sohn Matt und das Kindermädchen. Der Leser hat angesichts des ungeschönten Porträts des heutigen Südafrika nur noch einen Wunsch: dass wenigstens den monströsen Schurken Barnard seine Strafe ereilen wird, durch wen auch immer. Als er die alte Hündin Bessie erschießt, die Benny Mongrel für seine Nachtwächtertätigkeit zugeteilt war, und damit Benny das einzige nimmt, was er jemals geliebt hat, hätte er sein Todesurteil unterzeichnet, wenn es da nicht noch so viele andere gäbe, deren Leben Rudi Barnard durch seine Verbrechen zerstört hat.

“Kap der Finsternis” ist trotz seiner Härte und Düsterkeit ein überaus empfehlenswerter, sehr spannender Roman in der Noir-Tradition. Man merkt dem Plot und der schnörkellosen, nüchternen Sprache die Affinität des Autors zum Film an. Der Roman liest sich schon fast wie eine Vorlage für einen temporeichen Actionfilm. Tatsächlich wird das Buch zur Zeit in Hollywood verfilmt. Auch Roger Smiths folgende Romane “Blutiges Erwachen“ und “Staubige Hölle” sind Weltbestseller geworden und haben die Position des Autors als eine der wichtigsten literarischen Stimmen Südafrikas gefestigt.