Die Schicksale einer Strasse

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Zum Inhalt:
Wer sind sie, die Bewohner der Pepys Road. Wie leben sie, was sind ihre Erwartungen und Wünsche. Wie verändert sich ihr Leben in dieser Stadt im Konsens mit den grossen Veränderungen in der Gesellschaft. Und da kommt auch noch jemand geheimnisvoller und verkündet jedem Einwohner in der Strasse: „Wir wollen, was ihr habt“!

Meine Meinung:
Auf den 680 Seiten dieses Buches führt uns der Autor John Lanchester gekonnt und wortreich in das Leben der Bewohner in der Londoner Pepys Road ein. Eine Reihe vielfältiger Menschen erlebt man in ihrem Dasein und was diesen über die Zeit von etwa einem Jahr alles wiederfährt.
Diesen Fortgang im Geschehen erfährt man Kapitelweise immer wechselnd zwischen den zahlreichen Protagonisten in diesem Buch. Dadurch erfährt man beim Lesen ein gewisses Mass an Spannung und Dynamik. Wie es aber auf dem Einband des Buches als Kommentar des ‚The Observer‘ so reisserisch wiedergegeben wird: „Kapital ist von leichtfüssiger Brillanz, spannend von der ersten bis zur letzten Zeile, bewegend und sehr, sehr komisch“ davon finde ich in diesem Buch aber nur gerade die Einschätzung ‚Bewegend‘ wirklich stimmend. Entweder hat dort der Redaktor das Buch nicht gelesen oder das Zitat zu einem anderen Buch verwechselt.
Als besonders Spannend, und das meine ich hier jetzt gar nicht abwertend, kann man das Buch nicht wirklich bezeichnen. Dafür geschieht viel zu wenig Aktuell und mit Dialogszenen sondern es wird immer wieder vertieft darüber ‚nachgedacht‘ was, wie und warum so geschieht und nicht anders. Diese zahlreichen monologisierten Textpassagen sind zwar stark verfasst und eingehend geschrieben, dabei aber von „leichflüssiger Brillanz“ zu reden ist übertrieben. So verschachtelte Gewaltssätze wie zum Beispiel der auf Seite 630/631 mit einer Länge von sage und schreibe 251 Worten in einem Satz sind für mich nicht wirklich ‚leichtflüssig‘ zu lesen (und zu verstehen)!
Für mich ist dieses Buch nicht „sehr, sehr komisch“ sondern ein ernster und zur Nachdenklichkeit führender Stoff, auch wenn vom Autor hier in freier dichterischer Weise ein eher etwas schiefes Bild der englischen Gesellschaft gezeichnet wird. Damit meine ich den Umstand, dass fast ausschliesslich Emigranten als fleissige, gute und seriöse Personen agieren, während die spärlich vorkommenden Engländer eher zur dekadenten, schlechten, verlierenden Gruppe eingestuft sind. Für mich etwas zu einseitig. Schade.

Fazit:
Wie zuvor schon erwähnt, handelt es sich bei diesem Buch nicht um ein aktionsreiches Geschehen. Es ist in der Tat ein vielschichtiger Roman über Gier, Angst und Geld wie es vorne auf der Buch-Umschlagseite von ‚The Times‘ umschrieben wird. Wer also Gedankenreiche und manchmal fast philosophisch anmutende Betrachtungen mag, dem ist dieses Buch zu empfehlen. Für mich hat es nicht ganz die Erwartungen erreicht und damit in meiner Wertung ganz knappe 4 Sterne bekommen.