Kapital

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hiclaire Avatar

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Dass ein Buch ohne durchgehenden Plot dermaßen fesselnd sein konnte, kam für mich überraschend. Zum Lesen habe ich relativ lange gebraucht, nicht weil es mühsam gewesen wäre, sondern ich es Satz für Satz genießen wollte, auch mit gelegentlichen Pausen zwischen den Kapiteln, damit mir möglichst nichts entgeht.

Die in der Pepys Road in London wohnenden und/oder arbeitenden Menschen bilden einen Querschnitt durch alle möglichen sozialen Schichten einer modernen Großstadt. Über den Zeitraum eines Jahres hinweg gibt John Lanchester Einblicke in die Lebenssituationen seiner Protagonisten, erzählt von ihren großen und kleinen Problemen und gibt ihnen im Laufe der Geschichte eine Tiefe und Vielschichtigkeit, die mich in Anbetracht der häufig wechselnden Erzählperspektiven erstaunt hat. Genial und faszinierend finde ich, wie intensiv und überzeugend er sich in diese Vielzahl von so komplett verschiedenen Menschen, in ihre Denkweisen und Überzeugungen hinein versetzen kann, ihre Stärken und Schwächen so realitätsnah und glaubhaft schildert. Er schreibt kenntnisreich und einfühlsam, ohne zu belehren oder zu werten, manchmal schonungslos offen, häufig humorvoll und süffisant und konfrontiert uns mit den absurden, kranken Auswüchsen unserer Zivilisation, unserer „westlichen Wertegemeinschaft“, von der wir glauben, sie dem Rest der Welt vermitteln zu müssen.

Sein Schreibstil hat mir ausgesprochen gut gefallen, mit einem gewissen Anspruch, jedoch leicht und flüssig zu lesen, mit augenzwinkerndem Humor und einer wohl dosierten Portion Ironie und vor allem diesem scharfsinnigen Blick für Details.

Fazit:
Pure, uneingeschränkte Begeisterung und absolute Leseempfehlung! Für mich hat John Lanchester einen genialen Roman geschrieben!