Zeitreise die Zweite

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Die Erinnerungen an ihre Zeitreise ins Mittelalter sind bei Jo Weber und ihrem Kollegen Lutz Jäger noch frisch, als sie erneut zu einem Leichenfundort in Ebersheim gerufen werden. Wieder wurde auch ein Skelett bei Grabungsarbeiten gefunden. Jo glaubt sich nicht nur wegen des warmen Wetters einer Ohnmacht nahe. Als sie wieder zu sich kommt, muss sie leider feststellen, dass sie nicht mehr in ihrer gewohnten Umgebung ist. Das Dienstmädchen Katharina kümmert sich um sie und beantwortet geduldig ihre Fragen. Jo ist diesmal vorbereitet und kann sich recht schnell in ihr neues Leben als ihre eigene Ururgroßmutter im ausgehenden 19. Jahrhundert anpassen. Sie lebt nun mit ihrer Großmutter Malfalda und ihrem Onkel Wilhelm in einer beeindruckenden Villa am Stadtrand. Erfreut stellt sie fest, dass sie diesmal nicht auf Kaffee verzichten muss, sich aber mit der seinerzeit üblichen Mode schwertut. Schmerzlich trifft sie auch die Erkenntnis, wie wenig Rechte unverheiratete 18-jährige im Kaiserreich hatten. Zum Glück trifft sie ihren Kollegen Lutz Jäger, der dieses Mal seinen Lohn bei der Polizei verdient. Die Lösung des heimtückischen Mordes an einer jungen Dame scheint also schnell gefunden zu werden, was vermutlich auch diesmal die Rückkehr ins Jahr 2013 ermöglicht.

Die unter dem Pseudonym Bea Rauenthal schreibende Autorin führt ihre Leser auch im zweiten Band der Zeitreisekrimis in eine interessante Vergangenheit. 1898 herrschte im Deutschen Reich noch eine gewisse Zucht und Ordnung. Gerade bei jungen Damen wurde darauf geachtet, dass sie sich nicht unschicklich benahmen. Der eigensinnigen Jo erschweren diese Bedingungen das Leben enorm. Parallelen zu „Dreikönigsmord“ sind hier zu erkennen, wobei sie durch die unterschiedlichen Jahrhunderte nicht als Wiederholung wahrgenommen werden. Die Autorin versetzt ihre Leser aus der heutigen Sicht in das 19. Jahrhundert, in dem der Preußische Drill zum guten Ton gehörte. Sie vermittelt bildhaft die Schwierigkeiten, die wir hätten, uns seinerzeit angepasst in der Gesellschaft zu bewegen. Auch die geschriebenen Nachrichten in Sütterlin-Schrift sind nicht sofort jedermanns Sache. Gern hätte ich einen tiefergehenden Blick in die damaligen aufwiegelnden Sitzungen und Kundgebungen der politisch engagierten Gruppen gehabt.

Der gewählte Sprachstil ist weiterhin humorvoll und verhilft bei dem rasanten Handlungsverlauf zu einigen Lachern. Diese fiktive Geschichte verlangt, dass man sich als Leser auf diesen Klamauk einlässt und auch das Thema Zeitreise als Möglichkeit annimmt, ohne es mit belegbaren Erkenntnissen zu hinterfragen. Schafft man das, wird man mit kurzweiliger Lektüre belohnt. Die Situation lässt einige interessante Gedankenspiele zu. Würde man sich tatsächlich nur auf seinen Auftrag konzentrieren, um schnell wieder in sein eigenes Jahrhundert zurück zu kommen, oder würde man die Chance nutzen, verheerende Geschichtsverläufe zu ändern? Diese Fragen werden aufgeworfen und beschäftigen den Leser noch eine Weile nach der letzten Seite. Dieser Aspekt und die Entwicklung der beiden Ermittler sind die richtige Würze für diesen Krimi, der mit „Fronleichnamsmord“ fortgesetzt wird.