Bleibt viel zu sehr an der Oberfläche, erzählt zu sprunghaft

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viv29 Avatar

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Ich muß gestehen, daß ich erleichtert bin, dieses Buch hinter mich gebracht zu haben. Auf den letzten 100 Seiten habe ich viel nur noch überflogen, weil ich mich leider ziemlich gelangweilt habe.

Der Klappentext ist eigentlich vielversprechend - die Geschichte des Dorfes Peleroich von der Gründung der DDR bis zur Nachwendezeit, dazu "eine fatale Dreieicksbeziehung voller Geheimnisse" (was sich als ziemlich übertriebene Beschreibung herausstellt). Ich lese sehr gerne über das Leben in der ehemaligen DDR, stelle oft fest, wie viel es darüber noch zu erfahren gibt und war sehr interessiert daran, wie diese Dorfgemeinschaft von Peleroich durch jene Jahrzehnte gekommen ist.

Während der Anfang des Buches uns noch eine liebevolle Einführung des Hauptcharakters Elise gibt und wir auch Peleroich im Jahre 1950 neugierigmachend kennenlernen, war ich schon direkt danach ziemlich enttäuscht. In kurzen Kapiteln fliegen wir durch die Jahre. Kaum haben wir die Schulkinder Karl und Christa 1950 kennengelernt, ist es auch schon 1960 und man ist mitten in ihrem Familienleben, nachdem sie in vorherigen kurzen Kapiteln sich rasch verliebt und geheiratet haben. Alles wird nur kurz angerissen, wir lernen die Charaktere nicht richtig kennen, erleben keine Entwicklungen mit. Das sehr interessante Thema der LPG-Gründungen und des Druckes auf die unabhängigen Bauern kommt auf. Darauf war ich gespannt, freute mich schon, etwas dazu zu lesen. Ein paar Seiten später war es in wenigen Sätzen abgehandelt und kam nicht mehr auf.

Und genau so geht es weiter. Während Naturbeschreibungen, Kindergeburtstage, banale Alltagsunterhaltungen in fast ermüdender Ausführlichkeit geschildert werden, finden die wichtigen Ereignisse nur am Rande statt. Die Charaktere bleiben größtenteils Namen für mich, weil wir keine Gelegenheit haben, sie kennenzulernen. Vorne im Buch ist eine Namensliste, die ich auch oft benötigt habe. Ich habe historische Romane mit an die tausend Seiten gelesen, mit 50-60 Charakteren, und brauchte die Namenslisten dort nie, weil die Charaktere so gut eingeführt worden waren, daß ich sie gleich zuordnen konnte. Hier, bei einer Handvoll Dorfbewohner, blieben sie mir größtenteils fremd. Während die Zubereitung von Bratkartoffeln detailliert besprochen wird, finden Unterhaltungen über die Unterdrückungen des DDR-Regimes, das durchaus gewichtige Trauma eines Grenzsoldaten (dazu hätte ich viel, viel mehr lesen wollen), rasch statt, vieles wird uns nur als Rückblick kurz geschildert. Es kam mir vor, als ob ich in einem Zug sitze und nur ab und zu einen raschen Blick in ein Zimmer erhasche - Momentaufnahmen, immer zu schnell, immer zu kurz. Irgendwann im Buch kam es Elise "vor, als wäre sie nicht dabei gewesen, als hätte sie etwas Wichtiges verpasst." So fühlte ich mich das ganze Buch hindurch. Fragen und Themen werden angerissen, bleiben aber, genau wie Charaktere, an der Oberfläche.

Die DDR-Themen kommen vor, sind gut ausgewählt, interessant, aber es hätte so unglaublich viel mehr daraus gemacht werden können. Ich habe in anderen Büchern wesentlich mehr über das Leben in der DDR erfahren. Nach knapp 300 Seiten sind 30 Jahre DDR-Geschichte abgehandelt, rasch, oberflächlich, garniert mit vielen Banalitäten des dörflichen Alltagslebens. Oft werden mehrere Jahre übersprungen und wir bekommen nur einen kurzen Überblick, was geschehen ist. Immer wieder werde ich so aus der Handlung herausgerissen. Um das "große Geheimnis", das Elise nach zwanzig Jahren zurück ins Dorf führt, wird mehr Drumherum veranstaltet, als notwendig gewesen wäre.

Der rote Faden des Dorfes war an sich gut gewählt, wenn es mal um die DDR geht, sind die Einzelheiten gut und glaubhaft dargebracht. Der Schreibstil ist durchschnittlich, liest sich recht leicht. Bei einer (für meinen Geschmack) besseren Gewichtung der Themen und Schwerpunkte hätte ich dieses Buch genossen, aber so war ich leider enttäuscht. Ich habe noch "Kranichland" der Autorin hier liegen und hoffe, daß es besser sein wird.