Das Schicksal der Bewohner eines Dorfes in der DDR

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timphilipp Avatar

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Wie schon Anja Baumheiers erstes Buch „Kranichland“ handelt auch ihr vorliegendes zweites von Schicksalen von Bürgern der DDR. Sie weiß, wovon sie schreibt, hat sie doch die ersten zehn Lebensjahre selbst noch in der DDR verbracht.
Aufbereitet wird ein Stück deutscher Geschichte, das gerade für mich, die ich aus Westdeutschland stamme und keinen persönlichen Bezug zur früheren DDR und ihren Bewohnern habe, interessant ist. Im Mittelpunkt stehen einige Personen aus einem kleinen Dorf an der mecklenburgischen Ostsee in dem Zeitraum ab Gründung der DDR über den Mauerbau bis zur Nachwendezeit. Sehr hilfreich ist insoweit das vorangestellte Personenverzeichnis, auf das ich zunächst noch einige Male zurückgreifen musste. In der Gegenwart im Jahr 2018 kehrt eine von ihnen – Elise, die Hauptprotagonistin, mittlerweile in Paris lebend – zurück, um zu erfahren, was es mit dem Tod ihres Vaters und dem plötzlichen Verschwinden ihres Freundes auf sich hatte.
Sehr schön ist die Darstellung des beispielhaften Zusammenhaltes im Dorf. Gelungen ist auch die detaillierte und wirklich wissenswerte Beschreibung der verschiedenen zeitlichen Stationen in der Gesellschaft der DDR mit ihren jeweils so spezifischen Problemen – wie etwa die Überführung der landwirtschaftlichen Betriebe in LPGs, der Mangel an Konsumgütern und Gegenständen des täglichen Bedarfs, die Bespitzelung und Denunziation durch die Stasi, Ausreiseschwierigkeiten, Flucht und Fluchthilfe, die in der Form gar nicht gewollte Wiedervereinigung, der Konsumrausch und die Übervorteilung nach der Wende.
Gestört hat mich lediglich die gelegentliche unrealistische zeitliche Darstellung. So wird Elise bereits im Alter von fünf Jahren als begabte Näherin eingeführt oder wird ihr ihre Boutique in Paris Ende Dezember schon zu Anfang Januar gekündigt.
Ein empfehlenswertes Buch für Leser von Familiengeschichten mit Interesse an der jüngeren deutschen Geschichte.