Machtspiele

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
clara_fall Avatar

Von

Helen Brown schildert hier eine stete Aneinanderreihung von Machtspielen in ihrem Leben: mit ihrer Tochter Lydia, die auf der Suche nach Erleuchtung ist; mit dem Brustkrebs; mit ihrem Verlag, der auf die Abgabe ihres Buches wartet; mit ihrem Mann; mit ihrem hyperaktiven Kater; mit einem fremden Land, in das sie gegen Ende des Buches reist.
Wer zu diesem Buch greift und leichte Unterhaltung erwartet, der sieht sich recht schnell ernsten Themen gegenüber und je nach eigenem emotionalem Zustand ist man oft versucht, das Buch wegzulegen, weil einem eigentlich gar nicht nach schwerer Kost ist. Wer eine unterhaltsame Schilderung eines Lebens zusammen mit einem Samtpfötchen erwartet, muss sich bis zur Seite 150 gedulden, denn erst dann darf Jonah die Bühne betreten und auch dann ist er eigentlich nur eine Randfigur. Deshalb finde ich den Titel des Buches falsch gewählt.
Leider bin ich bis zur letzten Seite nicht warm geworden mit der Sichtweise der Autorin. Einerseits erwartet sie Verständnis, Rücksicht und Wärme von ihren Mitmenschen; andererseits schlägt sie ihre Mitmenschen oft vor den Kopf. Ein Beispiel: Sie bereitet aus Resten eine Nachspeise und ihre Familie findet sie köstlich - woraufhin sie sie in ihren Gedanken als Schwachköpfe bezeichnet. Ebensowenig hat sie Verständnis für die hartnäckige Suche ihrer Tochter nach Spiritualität. Sobald sie kleine Veränderungen ihrer Tochter in die "richtige" Richtung entdeckt, spart sie nicht mit Worten wie "ein gutes Zeichen", "es besteht noch Hoffnung", obwohl sie mehrmals im Buch versichert, die Entscheidung ihrer Tochter zu respektieren, schon aus Dankbarkeit für ihre aufopferungsvolle Pflege. So gern, wie sie ihre Mitmenschen in ihre Richtung lenken möchte, so gut soll auch der neue Vierbeiner in ihrer Familie funktionieren. Doch leider geht das nur unter Mithilfe von Medikamenten. Leider fehlt mir das Verständnis für diesen Schritt.
Insgesamt kann ich diesem Buch nur sehr wenig abgewinnen. Gerade die Schilderungen der Brustkrebsbehandlung gehen sehr oft ohne Vorwarnung in seltsame Details. Sie wären wohl keine echte Hilfe für Betroffene. Ihrer Tochter bringe ich großes Mitgefühl entgegen, denn sie ist ein sehr wertvoller Mensch mit liebenswerten Eigenschaften. Es bleibt zu hoffen, dass sie sich diese Eigenschaften auch nach der Rückkehr in die "normale" Welt bewahrt und ihre Mutter merkt, welch ein liebevoller Mensch an ihrer Seite ist.
Immer wieder sind mir auch Druckfehler aufgefallen, die für so ein hochwertiges Buch ziemlich schmerzen. ;-) Das Cover bringt keinerlei Aussage mit.