Die Schuldfrage

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ronya Avatar

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Ich hätte es ahnen können … Schon nach der Leseprobe war ich überrascht, da ich die gelesenen Seiten nicht recht mit dem Klappentext in Verbindung hatte bringen können. Da hatte ich aber noch die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass das Gelesene nur eine lange Einleitung zur tatsächlichen Erzählung war. Außerdem hatte mich der unterhaltsame Stil überzeugt, das Buch lesen zu wollen.

Das habe ich auch keineswegs bereut, ganz im Gegenteil, aber ich habe etwas völlig anderes erwartet. Versprochen hatte ich mir eine Geschichte, die sich vor allem um Ben und Walter und ihren Austausch dreht. Tatsächlich ist dieser Teil eher eine Art Rahmenhandlung, innerhalb der sich nach und nach Walters Vergangenheit entfaltet und Stück für Stück berichtet wird, wie er an den Punkt gekommen ist, an dem er heute ist. Auch seine gegenwärtige Situation nimmt mindestens ebenso viel Raum ein wie Bens.

Das alles liest sich leicht und flüssig, der humorvolle Unterton, der sich in der Absurdität der ersten Seiten noch findet, tritt jedoch mehr und mehr in den Hintergrund. Es geht um die Frage nach der Schuld, darum, was einen „guten Mann“ ausmacht, um gute Absichten, die nicht immer das gewünschte Ergebnis erzielen, um die zerstörerische Kraft von Gerüchten und davon, dass diesen oft vorschnell Glauben geschenkt wird, ...

Walter ist ein facettenreicher Protagonist, und durch die schrittweise Enthüllung seiner Geschichte hat sich mein Blick auf ihn immer mal wieder ein wenig verändert, auch wenn ich einzelne Verhaltensweisen bis zum Schluss nicht recht nachvollziehen konnte. Andere hingegen, die im ersten Moment vielleicht merkwürdig anmuteten, waren im Licht neuer Kenntnisse dann durchaus schlüssig.

Am Ende bleibe ich mit reichlich Stoff zum Nachdenken zurück und kann sagen: Wer einfach nur leichte Unterhaltung möchte, macht um dieses Buch besser einen Bogen. Auf der Suche nach einer guten Geschichte, die nachklingt, wird man hier jedoch fündig.