Wo bleibt die Engelsmusik?

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caröchen Avatar

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Schon wieder treibt ein Serienmörder in San Diego sein Unwesen. Der Wahnsinnige operiert seine Opfer am offenen Herzen und scheint von Mal zu Mal brutaler zu werden.
Als immer mehr Leichen auftauchen, ohne dass es eine Spur zum Täter gibt, stehen die Detectives Diaz und Rizzo zusehenst unter Druck.

Die ist mein erstes Buch von Daniel Annechino, daher kannte ich auch nicht Samis Vorgeschichte, welche anscheinend in Band eins zur Rede kam. Das tat dem Ganzen aber keinen Abbruch, da man genug über den damaligen Fall erfahren hat und nicht im Dunkeln tappen musste.
Der Schreibstil war gut strukturiert und flüssig zu lesen. Es wird abwechselnd aus verschiedenen Sichten erzählt, unter anderem aus der von Julian und Sami so, dass mit geschickten Erzählerwechseln eine gewisse Spannung aufgebaut wurde.

Keine Gnade ist eigentlich genau die Art von Thriller, die ich liebe. Ein verrückter Mörder, der immer brutaler wird, dessen Vorgehen genaustens beschrieben wird und der uns als Bonus auch noch Einblicke in seine Gedanken gewährt.
Doch genau das ist der Punkt. Laut Klappentext sollte ich genau das geliefert bekommen, sah mich auch auf den ersten Seiten bestätigt, doch leider ging es dann rapide bergab.

Der Täter hat Medizin studiert und macht seine Sache im operieren am offenen Herzen anscheinend ziemlich gut. Zu meinem Bedauern jedoch, wird seine Vorgehensweise nur unvollständig beschrieben. Es wird gesagt wie er die Instrumente aufbaut, seine Opfer sediert und den Brustkorb öffnet, doch vom medizinischen Hintergrund wird viel zu wenig erklärt. Ich liebe es, wenn die Autoren gut für ihre Geschichte recherchieren und es dem Leser verständlich und dennoch spannend nahebringen können. Ein gutes Beispiel hierbei sind z. B. einige Romane von Sebsatian Fitzek. Das gab mir den Eindruck von einem "wischi-waschi" Roman, nach dem Motto "Ich finde das Thema sehr interessant, kenne mich in dem Bereich aber überhaupt nicht aus und habe aber auch keine Lust zu recherchieren, also schreiben wir einfach mal irgendein paar Fachbegriffe hin und überspringen die entscheidenden Stellen. Dem Leser wirds schon gefallen".

Zudem fand ich die Wendung die der Täter in seinen Taten hatte nicht nachvollziehbar. Wenn er mehr Opfer gehabt hätte, also mehr Zeit für die Veränderungen, dann schon, doch das ging einfach zu schnell. Praktisch schon auf den ersten Seiten fängt er an, seine Familie zu vernachlässigen, obwohl er sie doch ach so doll liebt. Außerdem schien mir das Motiv für einen so anerkannten Chirurg etwas zu krass, zwar gibt es wirklich viele kranke Menschen, doch das hat irgendwie nicht gepasst.
Sein Motiv für sexuelle Handlungen im Buch, welches ich ehrlich gesagt langweilig und unnötig fand, wurde kaum erklärt und kam eher so sporadisch vor, als wenn der Autor schnell noch sexuelle Übergriffe hat einbauen wollen, aber keine gute Idee hatte, warum der Täter das tun sollte. Das wirkte auf mich eher lächerlich.

Schade war auch, dass Julian praktisch dem Leser am Ende erklären musste, warum er seine Taten so begangen hat. Kam eher rüber, als wenn der Autor wieder nicht wusste, wie er die Erklärungen einbauen sollte... "Ach gute Idee, dann schaut der Leser noch ein letztes Mal in Julians Kopf und Julian lässt alles noch einmal Revue passieren". Gääääähn wie langweilig.

Bis darauf, dass ich Samis Vorgeschichte nicht kannte, gefiel mir ihre Beziehung zu Al ziemlich gut. Man hat jedesmal gemerkt, wie sehr sich die beiden lieben.
Samis Unterhaltung mit Emily haben mich jedoch eher genervt. Zu sehr auf vertraut getrimmt und das ständige Kus (deren Abkürzung für Kusine) hing mir auch zum Halse raus.

Das Ende war jedoch richtig zum kotzen. Es war sowas von kitschig und auf heile Welt gemacht, dass ich nur noch darauf gewartet habe, dass endlich die Engelsmusik einsetzt. Alles wird plötzlich auf wundersame Weise geklärt, jeder wird gesund, alle Probleme renken sich wieder ein, teilweise mit so absurd vielen Wundern die geschehen, dass mir echt die Haare zu Berge standen.
Wenn das Ende nicht gewesen und Annechino besser (oder vielleicht überhaupt mal) recherchiert hätte, wäre es sicher nicht so eine Enttäuschung gewesen.
Da es aber spannend war und sich gut lesen ließ, habe ich letztendlich doch noch drei statt zwei Sterne vergeben, aber mit zwei zugedrückten Augen.