Intensiv und schonungslos

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Arielle hat es geschafft: sie ist entkommen aus ihrer armen und assigen Heimat Essen-Katernberg, hat ihrer multikulturellen Nachbarschaft und den Freunden aus Kindertagen den Rücken gekehrt. Doch trotz Karriere in Düsseldorf in der Werbebranche, Designer-Klamotten und gut aussehenden Freunden kann sie ihre Vergangenheit nicht hinter sich lassen. Ein Burnout zwingt sie zurück zu ihrer Großmutter, bei der sie aufgewachsen ist, wo sie sich mit ihrer Vergangenheit und dem Verschwinden ihrer Mutter auseinandersetzen muss.
Sie ist nicht wirklich eine sympathische Person diese Arielle. Sie raucht und trinkt, nutzt Sex als Ablenkung, verachtet ihre alte Umgebung und mit ihr die Menschen, die es dort nicht heraus geschafft haben. Bei aller Herablassung merkt man, dass sie immer noch an der Unsicherheit darüber leidet, was mit ihrer Mutter passiert ist und an der Lieblosigkeit ihrer Großmutter. Alles Austeilen, Niedermachen, Schimpfen, ist ein Hilferuf.
Intensiv und schonungslos beschreibt Lisa Roy hier einen Menschen, der zutiefst hilfebedürftig ist. Dabei benutzt sie eine Sprache, die zwischen vulgär und humorvoll schwankt, beschreibt die Düsseldorfer Schickeria mit vielen Anglizismen aus der Influenzer-Branche und die Essener Assis mit schonungslosem Jargon.
Es ist keine gute Geschichte, die die Autorin hier zu erzählen hat. Sie ist traurig und hart, grausam und bedrückend. Aber sie zieht die Leser in ihren Bann, verbindet einen Krimi mit dem Schicksal einer jungen Frau, Arm mit Reich. Gut gefällt mir, dass die Protagonistin sich aus ihrer Sicht an die so schmerzlich seit vielen Jahren vermisste Mutter wendet. Und zum Glück bleiben am Ende nicht viele Fragen offen.
Ein modernes Buch, eine ungewöhnliche Sprache, nichts für zart besaitete Leser*innen.