Interessantes Debüt!

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wortknistern Avatar

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Arielle Freytag hat den sozialen Aufstieg geschafft: Aus dem Brennpunktviertel zur erfolgreichen Social-Media-Managerin in einer Agentur mit schicker Wohnung in Creme-Tönen und fancy Kaschmir-Pullis. Hilft aber alles nichts gegen ihre Depression, die sie in Behandlung zwingt. Danach und noch nicht in der Lage, weiterzuarbeiten, kehrt sie zurück in die Heimat und zu ihrer Großmutter, die sie aufgezogen hat. Dort sind zwei junge Mädchen verschwunden, was Erinnerung an das Verschwinden ihrer eigenen Mutter weckt.

Was für ein Debüt! Lisa Roy hat es geschafft, eine Protagonistin zu schreiben, die gleichzeitig relatable und unsympatisch ist. Als jemand, die selbst in einer Marketing-Agentur gearbeitet hat, habe ich die Teile zu Beruf (und bspw. auch ihrem Imposter-Syndrom) komplett geliebt. Arielle erzählt das Buch in einem rotzigen Tonfall mit vielen Anglizismen - das mochte ich eigentlich ganz gern (Stellenweise war es mir etwas too much), wird aber einigen auch gar nicht gefallen.

Richtig gut gefallen hat mir das Thema soziale Ungleichheit, das sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte zieht. Die verschwundenen Mädchen, Arielles verschwundene Mutter - hätte die Welt mehr Interesse an ihrem Verschwinden, wenn es sich nicht um eine Ashanti, Tochter einer alleinerziehenden Mutter aus dem “Assi-Viertel”, und eine drogennehmende Teenie-Mutter handelte, sondern um eine geigenspielende Charlotte aus der Reihenhaussiedlung? Oder bei Arielle, die zu Beginn ihrer Agentur Karriere gar nicht weiß, wie sich wohlhabende Menschen kleiden oder verhalten, und die trotz beruflichen Erfolges an Imposter-Syndrom leidet.

Fazit: Ich mochte das Buch sehr, würde es aber nicht uneingeschränkt allen empfehlen. Ich kann mir vorstellen, dass wem die Verbindung fehlt, die Protagonistin eher negativ wahrgenommen wird - vielleicht mal reinlesen in der Buchhandlung. Für mich ein spannendes Debüt, das mir noch eine Weile im Kopf bleiben wird.