Keine gute Geschichte, aber ein großartiger Roman

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miro76 Avatar

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Arielle erhält einen überraschenden Anruf und wird aufgefordert ihre Großmutter zu besuchen. Diese sei gestürzt und nicht mehr ganz selbständig. Sie hatte sie seit Jahren nicht besucht, denn obwohl sie bei ihr aufgewachsen sind, war ihr Verhältnis mehr als unterkühlt.

Da sie nach einem Aufenthalt in der Psychiatrie derzeit nicht arbeitet, reist sie auf unbestimmte Zeit in ihre frühere Heimat und in ihr Kinderzimmer, dass immer noch so aussieht, wie sie es zurückgelassen hatte.

Es sind keine guten Erinnerungen, die Arielle überkommen. Zurück in einem lieblosen Zuhause und wieder konfrontiert mit dem Verlust ihrer Mutter, die verschwunden war, als Arielle noch sehr klein war.

Jetzt sind zwei Mädchen verschwunden. Überall hängen Plakate und in der Nachbarschaft gibt es Suchtrupps, denen sie sich anschließt. Sie fragt sich, ob ihre Mutter damals auch gesucht wurde, ob die Polizei allen Spuren gefolgt war und warum ihre Großmutter nicht so gelitten hatte, wie die Mütter, die jetzt ihre Kinder suchen.

Vieles bricht auf in Arielle, die an ihrer harten Schale fast erstickt wäre. Sie hatte ihren Verlust unter Arbeit und einem mondänen Lifestyle begraben und wirklich nie jemanden an sich herangelassen. Das Wühlen in der Vergangenheit macht sie verwundbar, ihre Depression zwingt sie tagelang ins Bett, doch alte und neue Freunde lassen nicht locker.

So erfährt sie Neues über ihre Mutter, kann weiter Puzzleteile in das Mysterium einfügen und schafft ganz langsam einen Abschluss.

Arielle ist keine sympathische Protagonistin, ihre Verhalten ist streckenweise mehr als zweifelhaft, aber Lisa Roy zeigt uns auch, warum sie so handelt und denkt. Mit viel Verständnis für diesen schwierigen Charakter zeigt uns die Autorin, was eine lieblose Kindheit anrichten kann und wie viel schwieriger es ist mit Ungewissheit zu leben, als sich mit einem Tod abzufinden.

Arielles Geschichte ist wahrlich keine gute Geschichte. Sie ist zwar erfolgreich ihren Weg gegangen, hat es raus aus dem Prekariat geschafft, aber sie hat viele Opfer dafür gebracht. Indem sie jetzt ihre Wurzeln sucht, macht sie sich auf ihre wahre Identität zu finden, um am Ende festzustellen, dass sie doch nicht so allein ist, wie sie sich immer gefühlt hat.

Lisa Roy ist hier ein beeindruckendes Debüt gelungen. Der Roman fesselt ab der ersten Seite, die Protagonistin polarisiert stark, aber ihre Entwicklung spricht für sie. Mir hat das Buch ausgesprochen gut gefallen und ich freue mich schon jetzt auf die weiteren Werke der Autorin!