Ruhrpott wie er leibt und lebt

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Arielle hat Depressionen, obwohl sie es scheinbar geschafft hat. Ihr Gepäck versteckt sie ziemlich erfolgreich: eine in der Kindheit verschwundene Mutter, keinen Vater, aber offensichtlich seine Gene; sie ist bindungsunfähig, hat eine lieblose Großmutter und einen Backround, dem sie auf nimmerwiedersehen entfliehen wollte. Kurz nach dem sie aus der Psychiatrie entlassen wurde, kehrt sie zurück nach Essen Katernberg, weil Großmutter Varuna sie braucht. Dort wartet nicht nur Varuna, sondern auch ehemalige Mitschülerinnen, ihr altes Zimmer und die Geschichte ihrer Mutter auf sie.
Zwei verschwundene Mädchen, Nacktkatzen, Menschen mit Migrationshintergrund und gesellschaftliche Konventionen, die aufgebrochen werden, sind noch das Salz, das diesen Roman abrundet.
„Keine gute Geschichte“ von Lisa Roy hat sich bereits als eines meiner absolutes Jahreshighlights entpuppt und das nicht nur weil ich ein Ruhpottkind bin und gerade mal 1,5 km von dessen Mittelpunkt entfernt lebe. Ihre Sprache ist typisch Pott, direkt, frech und ungeschönt. Das Terrain in dem sie sich bewegt, ist mir nur allzu gut bekannt. Arielle ist mir herrlich unsympathisch und macht im Roman eine Entwicklung durch, die absolut stimmig ist. Ich konnte es gar nicht aus der Hand legen. Es passiert so viel, aber alles gehört zur Geschichte, hat seine Daseinberechtigung. Ich flog nur so durch die Seiten. Außerdem ist es nicht nur ein klassischer Roman; es ist auch ein bisschen Krimi, ein bisschen Coming-of-Age.
Ihre Beschreibungen, ob nun von den heruntergekommenen Assi Gegenden oder den Menschen in der Bahn passen wie Faust aufs Auge und generell lässt sie eine Welt entstehen, die sich vor meiner Haustür abspielen könnte.
Lisa Roy setzt nicht nur das Ruhrgebiet auf die literarische Landkarte wie es hintern auf dem Buch steht, sondern ist wieder ein gutes Beispiel, für absolut frische, weibliche Stimmen, die nicht überlesen werden sollten! Ich bin jetzt schon Fan.