Schmerzhafte Vergangenheit

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mammamia Avatar

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In ihrem Debütroman „Keine gute Geschichte“ stellt Lisa Roy die 30 – jährige Arielle, die nach einem Jetset Leben wieder am Stadtrand von Essen und auf dem Boden der Tatsachen landet.

Nach einem Aufenthalt in der Psychiatrie erhält sie einen Anruf aus der Vergangenheit: Die Großmutter braucht Unterstützung in ihrem Alltagsleben und Arielle ist die einzige nahe Verwandte, die sich darum sorgen kann. Kaum in Essen angekommen, muss sie erfahren, dass zwei Mädchen vermisst werden, was sie stark an das ungeklärte Verschwinden ihrer Mutter von vor 15 Jahren erinnert. Die Großmutter schweigt, trägt aber doch ein Geheimnis mit sich, das sich gewaschen hat.

Zunächst war es für mich nicht sehr einfach in einen Lesefluss zu kommen. Zum größten Teil ist die Geschichte als innerer Monolog aufgebaut und daher mitunter recht sprunghaft. Arielle lässt ihre Leserschaft teilhaben an ihrem Aufstieg und „Fall“ und vor allem an ihrer Verzweiflung, da nicht geklärt werden konnte, warum ihre Mutter damals, als Arielle noch ein Kind war, über Nacht verschwunden ist. Erst nach und nach enthüllen sich Geheimnisse rund um die Familie, auch wenn nicht alle aufgeklärt werden.

Mein Zugang zu Arielle war eher ambivalent. Einerseits kann man ihre Wut, ihre Verzweiflung und ihren Zwiespalt förmlich fühlen und emotional doch bis zu einem gewissen Teil mit ihr mitschwimmen, andererseits gibt es dann Handlungen und auch (wirklich gemeine) Gedanken ihren Mitmenschen gegenüber, die sich doch zu einem großen Teil um sie bemühen, die sie mehr als unsympathisch machen. Vielleicht wollte die Autorin damit Arielles Zerrissenheit zwischen Vergangenheit und ihrem jetzigen Leben aufzeigen. Wenn es so ist, dann ist es ihr tatsächlich sehr gut gelungen.

Das Leben in der Essener Vorstadt wird sehr real geschildert. Es geht mitunter knallhart zu und die Figuren in der Handlung sind wenig bis kaum zur Reflexion und Aufarbeitung bereit. Lieber gibt man den Deckel drauf – und genau das hat etwas so Reales, dass es fast schon langweilig wirkt, weil es so alltäglich daherkommt. Wer will über Entführungsopfer reden? Wer will generell über Opfer reden? Wer will darüber reden, dass Mütter ihre Kinder verlassen? Wer hat sich schuldig gemacht?

Obwohl das Buch einen eher nüchtern Schreibstil hat, hat dieser gleichzeitig auch einen sehr aufwühlenden Unterton. Trotzdem muss ich gestehen, dass mich das Ganze erst im letzten Drittel so richtig abholen konnte. Es nimmt dann eine doch unerwartete Wendung, mit der ich so nicht gerechnet habe.

Empfehlen würde ich das Buch jenen Leserinnen und Lesern, die sich nicht im Mainstream bewegen bzw. jenen, die darin geübt sind, sich auch über eher widerspenstige Figuren und Handlungen zu wagen. Und, wie schon erwähnt, lohnt es sich jedenfalls bis zum Ende durchzuhalten, weil die Handlung überrascht und ganz am Schluss auch einen positiven Nachgeschmack bekommt.