Schwere Kost

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Mit "Keine gute Geschichte" hat Lisa Roy ihren Debütroman im Rowohlt Verlag herausgebracht. Es ist die Geschichte von Arielle Freytag, einer jungen Frau aus Düsseldorf, die erfolgreich im Social Media Bereich arbeitet. Nachdem sie mehrere Monate wegen Depressionen in der Psychiatrie verbracht hat, ereilt sie ein Hilferuf aus Essen, wo sie in einem sozialen Brennpunkt aufgewachsen ist. Ihre Großmutter, bei der sie einst aufgewachsen ist, ist gestürzt und benötigt Hilfe. Obwohl Arielle seit Jahren schon keinen Kontakt mehr pflegt und ihren Herkunftsort auch ein für alle Mal hinter sich lassen wollte, macht sie sich auf den Weg, denn sie arbeitet noch nicht wieder und hat eh nichts besseres zu tun. Genau zu diesem Zeitpunkt sind zwei 9-jährige Mädchen aus dem Viertel verschwunden, vermutlich entführt. Sofort wird Arielle wieder an ihre Mutter erinnert, die als junge Frau verschwunden und nie wieder aufgetaucht ist.
Ich muss zugeben, dass ich sehr schwer in diesen sozialkritischen Roman hinein gefunden habe ... es ist eben keine leichte Unterhaltungsliteratur! Der Schreib- und Erzählstil der Autorin ist "anders". Es werden sehr viele Anglizismen benutzt. Obwohl ich des Englischen durchaus mächtig bin, musste ich mich bei der Lektüre schon sehr konzentrieren, um alles zu begreifen, denn die ICH-Erzählerin spricht auch häufig mit ihrer toten/verschwundenen Mutter. An anderen Stellen wiederum ist die Sprache dann ziemlich proletarisch/vulgär. Auch ist die Protagonistin nicht wirklich sympatisch. Schon als Kind hat sie gelogen, geklaut, andere Kinder gemobbt usw und auch als Erwachsene hat sie sich nicht zum Besseren verändert. Lügen ist noch immer kein Tabu, Alkohol und Drogen gehören auch zu ihrem Leben, sie "benutzt" Männer genauso, wie diese Frauen benutzen. Und doch hat sie positive Seiten. Sie kümmert sich zum Beispiel um Melanie, deren Tochter verschwunden ist.
Nachdem ich mich eingelesen hatte, hat mir das Buch aber durchaus gut gefallen und ich konnte es kaum aus der Hand legen. Die Story wurde zunehmend spannend und zum Schluss waren auch fast alle Fragen beantwortet.
Arielle, die tragische Protagonistin, tut einem Leid. Sie hat es geschaftt, sich selbst aus dem sozialen Sumpf ihrer Herkunft zu befreien und Karriere zu machen, aber kaum ist sie zurück verfällt sie wieder in alte Verhaltensweisen. Sehr bezeichnend finde ich da den Satz: "Man kann das Mädchen aus der Gosse holen, aber nicht die Gosse aus dem Mädchen".