Tristesse in Essen

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Willkommen im Pott, nördlich der A40 in Essen. Hier wohnen die "Assis", die Armen, die zu dünnen oder zu dicken Mütter. Und hierhin kehrt die Protagonistin Arielle zurück, nachdem ihre Oma gestürzt ist.
Sie hatte es rausgeschafft, hat erfolgreich in Düsseldorf mit Medien gearbeitet und gut Geld verdient. Bis ihre Depression zum Klinikaufenthalt und aktuelle zur Arbeitsunfähigkeit führte. Und diese Depression ist der sehr überzeugende Grundklang dieses Buch. Arielle bleibt von sich selbst und anderen wie durch eine Scheibe getrennt, fühlt nicht richtig, lässt ihr Oma nicht an sich ran. Um klarzukommen säuft sie, hat Sex oder führt desinteressiert Gespräche mit wiedergetroffenen Freundinnen.
Die erzählte Gegenwart bricht Lisa Roy in ihrem Debütroman immer wieder mit Erinnerungen auf. Hier sehen wir das andere und irgendwie gute Leben von Arielle: wie sie ihren Job bekam, wie ihr Leben in Düsseldorf war, welche Freundinnen sie hatte. Und immer, immer wieder die Frage, was mit ihrer Mutter passiert ist. Warum ist ihre Mutter mit 24 Jahren verschwunden? Ist ihr etwas zugestoßen, wie Arielle meint? Oder ist sie abgehauen, wie ihr Großmutter sagt?

Es fällt mir noch schwer, die richtigen Worte für dieses Buch zu finden. Die Geschichte klingt in mir noch nach. Die Depression und wie sie Arielle von der Welt trennt, hat mich gepackt. Auch die Frage, warum Arielles Mutter verschwunden ist und wie sehr es ihr Leben bis heute prägt, hat mich in den Bann gezogen. Die Geschichte hebt sich wunderbar von anderen Büchern ab. Es geht nicht (!) um edle Armen und kaputte Säufer. Sondern um Leute, die es schwer haben und trotz des alltäglichen Struggles weitermachen.
Auch gefällt mir der Aufbau des Romans. Es ist kein klassische Heldenreise, es werden keine guten, großen Taten verbracht. Es wird durchgehalten und die Lichtblicke genutzt.
Dazu passt es, dass die Geschichte nicht mit Arielles Wegzug nach Düsseldorf endet, nein, sie beginnt mit ihrer Rückkehr in die Wohnung ihrer Oma. Weil sie eben nicht entkommen ist und mit dem richtigen Job eben nicht alles gut wird. Die Dämonen bleiben, auch wenn das Leben schön aussieht