Unterhaltsam und viel besser als erwartet

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Michael Brandner erzählt in seinem stark autobiographisch geprägten Erstlingswerk die Geschichte von Paul.
Paul ist knapp vier Jahre alt, als seine Mutter ihn ohne Vorwarnung aus seiner bayerischen Pflegefamilie nach Dortmund verpflanzt. Der Kontrast könnte nicht größer sein. Hier die ländliche Idylle mit seinen sehr liebevollen Pflegeeltern, dort der Ruhrpott mit einer Mutter, die mit ihrem Leben in beengten, ärmlichen Verhältnissen hadert und Paul wenig Zuwendung zuteil werden lässt. Trotzdem sind diese frühen Kindheitsjahre glücklich, denn sein liebevoller Stiefvater Helmut kümmert sich rührend um Paul. Erst mit der Einschulung wird es komplizierter. Paul mangelt es an Disziplin und Ehrgeiz, ganz im Gegensatz zu den Erwartungen seiner Mutter. Erfolg und Ansehen sind für sie alles, während Paul und Helmut sich mit wenig zufrieden geben.
Das ändert sich auch in späteren Jahren nicht. Paul hat viele Interessen und Talente, probiert alle möglichen Berufe und auch Lebensformen aus. Auch Beziehungen zu Frauen sind nicht von Dauer. Er lebt intensiv, aber auch gefährlich. Mehr Glück als Verstand, das trifft auf ihn sicher zu.

Mich hat dieses Debüt positiv überrascht. Obwohl das Cover wirklich hinreißend und extrem passend ist, war ich skeptisch aufgrund der Fülle an Romanen, die von Künstlern aus anderen Bereichen erschienen sind und wenig überzeugen konnten. Michael Brandner kann aber erzählen, auch wenn mich der erste Teil – Kindheit und Jugend - noch ein bisschen mehr abholen konnte. Nichsdestotrotz vermittelt der Autor anhand Pauls Geschichte ein umfassendes Bild der gesellschftlichen Athmospäre in der BRD, beginnend mit der spießigen Nachkriegszeit, der Auflehnung der jüngeren Generation in den späten sechziger-Jahren mit der anschließenden RAF-Hysterie bis zu der angepassteren Phase gegen Ende des Jahrhunderts.

Für mich war dieses Buch eine echte Überraschung. Unterhaltsam und leicht zu lesen, aber nicht seicht. Eine klare Leseempfehlung!