Zwei Frauen auf der Flucht vor der Wahrheit

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Los Angeles. Evie Gordon gibt Nachhilfe für angehende Studenten. Sie bietet ihren Service im Zuhause ihrer Kunden an. So kommt sie regelmäßig in die Häuser der Wohlsituierten. Als sie wieder einmal Serena Victor unterrichten soll, kommt sie an einen Tatort. Sie findet die Eltern des Teenagers blutüberströmt und im Schrank eine misshandelte Frau. Gerade hat Evie die Gefesselte befreit, kehrt Serena nach Hause. Für sie sieht es so aus, als habe sie die Mörder ihrer Eltern überrascht und versucht, Evie zu attackieren. Evie wehrt sich und schlägt ihre Schülerin bewusstlos. Bevor die Polizei eintrifft, fliehen die beiden Frauen und sind nun auf einem Roadtrip. Sie müssen den wahren Täter finden, damit sie in ihr eigenes Leben zurückkehren können.

Hannah Deitch beginnt ihr Thrillerdebüt mit einer aufsehenserregenden Tat. Zwei Frauen, von denen der Leser weiß, dass sie unschuldig sind, fliehen vom Tatort. Sie wissen, dass sie erkannt wurden und dass sie sich nun nicht von der Polizei erwischen lassen dürfen. Vielmehr ist die einzige Lösung, dass der wahre Täter ermittelt wird, damit die beiden in ihr altes Leben zurückkehren können.
Die wechselnden Perspektiven verleihen ihren Hauptfiguren Tiefe. Besonders spannend: Während die beiden Frauen sich gegenseitig kaum kennen, lernen sie nicht nur einander, sondern auch sich selbst ganz neu kennen. Die Voraussetzungen für einen spannenden Thriller sind also gegeben. Die Frage, ob die beiden Frauen je wieder einen normalen Alltag mit Sozialkontakten haben werden, zieht sich durch die Handlung. Dabei kommen ihnen die Verfolger immer näher, je länger sie unterwegs sind. Mit jeder Nachrichtensendung und jeder Notiz in einer Tageszeitung werden mehr Menschen auf die beiden Gesichter aufmerksam. Dabei lernen sich auch die Frauen immer besser kennen, aber eben auch eine ganz andere Seite des Menschen, den sie in den Nachrichten sehen. Das Spiel der Perspektiven hat mich durch den Thriller getragen.

Opfer, Gejagte, Täter
Die Handlung ist temporeich, gleichzeitig aber auch psychologisch fein gezeichnet. Evies Verstrickung in Lügen, ihre Angst vor Entdeckung und der Druck, unsichtbar zu bleiben, sorgen für permanente Spannung. Dabei verzichtet der Roman auf plakative Gewalt und setzt stattdessen auf ein psychologisches Katz-und-Maus-Spiel, das unter die Haut geht. Die Entwicklung der Figuren ist nachvollziehbar geschildert. Evie ist eine intelligente Studentin, die anderen bei der Aufnahmeprüfung zur Universität hilft. Ihrem Charakter traut man keinen Mord zu, der nicht aus Notwehr passiert. Auch Jae empfindet man als Opfer man wundert sich, wieso die beiden auf den Roadtrip gehen und nicht vielleicht der Polizei die Wahrheit sagen. Die Spuren müssten ihre Aussage doch bestätigen. Stattdessen quetscht sich vor allem Evie in eine Lüge, der weitere Straftaten folgen. Versierte Thrillerleser bekommen hier vielleicht schon die ersten Zweifel, dass es irgendwann eine krasse Wendung geben muss. Dieses Spannungselement ist zwar eigentlich ganz leise, lässt schwachen Nerven wie meinen doch die Haare aufstellen. Meiner Meinung nach hat das Debut eindeutig Potenzial zu weiteren Thrills.

Killer Potential von Hannah Deitch ist ein klug konstruierter Thriller mit vielschichtigen Figuren und moralischen Grauzonen, die psychologische Spannung erzeugen. Ein Verbrechen und zwei Frauen auf der Flucht vor der Polizei wird zum Wettlauf, den sie nicht gewinnen können. Der Erzählstil ist passend zur Handlung gewählt. Die Dynamik wird mit unerwarteten Wendungen noch verstärkt. Lasst euch unbedingt darauf ein.