Abbild einer sexistischen Gesellschaft

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miian Avatar

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Als Kim Jiyoung eine seltsame Persönlichkeitsstörung entwickelt, schickt ihr Mann sie zu einem Psychiater. Aus den Erzählungen seiner Patientin zu ihrem Leben fasst dieser es nüchtern zusammen und das ist das, was der Leser zu lesen erhält.
Das Leben von Jiyoung ist von klein auf geprägt von alltäglichem Sexismus. In ihrer Gesellschaft sind Männer mehr wert als Frauen, die Mutter ließ unter größter Trauer eine dritte Tochter abtreiben, um den Ansprüchen der Familie gerecht zu werden und endlich einen Sohn zu gebähren. In der Schule sind in der Schulkantine zuerst die Jungs an der Reihe, dann die Mädchen. Selbst Männer mit mittelmäßigen Leistungen werden von ihren Universitäten an Firmen empfohlen, während Frauen zumeist nicht einmal zu Vorstellungsgesprächen geladen werden. Männer verdienen für gleiche Arbeiten mehr, von Frauen wird erwartet ihre Jobs aufzugeben und der Familie zu dienen sobald sie Kinder bekommen. Genau das hat Jiyoung getan, doch es geht ihr nicht gut dabei...
Unglaublich nüchternd geschrieben und brandaktuell. Es wäre leicht zu argumentieren dass diese Rollenbilder in Asien bzw. Korea viel gefestigter sind als in Europa. So mag das verhätscheln des einzelnen Sohnes hier vielleicht komisch anmuten, viele Szenen aber könnten genausogut dem Alltag hier entstammen. Gesellschaftskritik vom Feinsten - dieses Buch zeigt ungeschont die vielen großen und kleinen Ungerechtigkeiten auf. Ich wünschte, viele Männer würden es lesen!