diese Frau könnte jede Frau sein

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
brombeere Avatar

Von

Worum geht es?
Um eine südkoreanische Frau, Kim Jiyoung, und ihre Lebensgeschichte bis zu ihrem 34. Lebensjahr.

Worum geht es wirklich?
Frauen, Diskriminierung und Aufwachsen in einer Welt, geprägt von Männern.

Lesenswert?
Absolut, ich kann den Hype um dieses Buch nachvollziehen.
Zu Beginn des Buches lernt man Jiyoung kennen, die ein wenig durcheinander wirkt, denn sie schlüpft mit einem Mal in verschiedene Rollen und hält sich für eine andere Frau, zum Beispiel für ihre eigene Mutter. Zu diesem Zeitpunkt bin ich davon ausgegangen, dass nun weitere solche Szenen folgen, verschiedene andere Frauen eine Rolle spielen und die Hintergründe zu Jiyoungs Verhalten erklärt werden.
Stattdessen erzählt die Autorin in mehreren Lebensabschnitten von Jiyoung und ihrer Familie, davon wie das Mädchen aufgewachsen ist und in welchem Umfeld sie groß geworden ist und was sie geprägt hat.
Dabei ist der Schreibstil sehr nüchtern, emotionslos und sachlich - nicht unangenehm zu lesen.
Er steht jedoch einfach in Kontrast zu dem Inhalt. Es geht um die Wichtigkeit von männliche Nachkommen, die Benachteiligungen von Mädchen in kleinen alltäglichen Situationen, später geht es um den eigenen Kinderwunsch. Natürlich erlebt man auch eine Verbesserung im Laufe der Jahre, aber immer immer immer wieder wird die Protagonistin auf Grund ihres Geschlechts benachteiligt, bedrängt, übergangen und in eine konkrete Rolle gepresst. Immer wieder wird ihr gesagt, sie solle sich nicht so anstellen, sie solle sich anders Verhalten um vor sexuellen Übergriffen geschützt zu sein, sie solle Rücksicht auf die Männer nehmen, sie solle sich so verhalten, wie es sich für eine Frau gehören würde.
Und nun kann man das natürlich abtun als europäische*r Leser*in, denn Südkorea und die dortigen Gepflogenheiten und Missstände sind ganz schön weit weg. Aber in so vielen dieser Situationen, in so vielen Aussagen, da findet man sich einfach wieder, da fühlt man all den Ärger und den Schmerz und auch wenn einige Dinge bei uns anders sind, so ist dieses konkrete Schicksal einer jungen Frau doch so allgemeingültig und aufwühlend.
Ich glaube, dass das das geniale an diesem Buch ist: Dass es von einem ganz genau definierten Einzelfall erzählt, nämlich Kim Jiyoung, geboren 1982, es könnte aber jeder andere Name einer jungen Frau sein und jede andere Geschichte so erzählen und nie hätte ich es für möglich gehalten, dass man sich so sehr mit einer jungen Frau am anderen Ende der Welt identifizieren kann.
Nebenbei ist es natürlich auch sehr informativ um einen Eindruck von Südkorea zu bekommen - dies spielt für die Dringlichkeit der Handlung aber absolut keine Rolle.