Ein kluges und wichtiges Buch!

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Kim Jiyoung lebt in Soul. Mit Mitte dreißig, mit der Geburt ihrer Tochter, verliert sie ihr eigenes Selbst. Sie wird psychisch krank und schlüpft zeitweise in die Rollen ihr bekannter Persönlichkeiten. In diesen Rollen teilt sie ihre Bedürfnisse und Wünsche mit, die sie sonst nicht äußern kann. Denn von ihr wird erwartet, dass sie funktioniert. Dass sie ihre Rolle als Hausfrau und Mutter tadellos ausführt.

Ihr Mann macht sich ernsthafte Sorgen und schickt seine Frau zum Psychiater. Dieser erzählt die Geschichte von Kim Jiyoung rückblickend: Vor ihrer Geburt hoffte die Familie sehnlichst auf einen Jungen; ihr jüngerer Bruder wird auf Händen getragen und genießt seine besondere Rolle in der Familie; in der Schule erlebt sie dieselbe Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, und ihr Vater gibt ihr selbst die Schuld, wenn sie belästigt wird. Der Einstieg ins Arbeitsleben ist ein steiniger Weg, denn Männer haben bei schlechteren Leistungen oft den Vortritt. Letztendlich finden Sie einen Beruf, der sie erfüllt und für sich selbst sorgen lässt. Ihr Leben lang hat sie für ihr eigenes Selbst gekämpft. Als sie ihren geliebten Job für die Familie aufgibt, zerbricht sie an der ihr zugeschrieben Rolle und den damit behafteten Vorurteilen.

Der Roman liest sich wie ein nüchterner Report, Fakten werden mit Fußnoten belegt. Und doch ist „Kim Jiyoung, geboren 1982“ hochemotional, denn immer wieder gibt es Situationen, in denen die Gefühle die Kontrolle übernehmen und die soziale Erwünschtheit weichen muss: Hier werden das permanente Leiden, Anspannung, entstandene Traumata, Gefühle wie Scham, Angst und Wut mehr als deutlich. All das, was Misogynie tief im Inneren eines Menschen anrichtet und für immer bleibt. Die Geschichte von Kim Jiyoung steht stellvertretend für alle Frauen in Südkorea und der ganzen Welt in all ihren kulturellen Ausprägungen.

Es ist ein kluges Buch. Ein wichtiges Buch, das Leser:innen aller Geschlechter lesen sollten. Weil es unbequem ist, Fragen aufwirft und zum Handeln auffordert. Und es macht deutlich, wie viele Generationen, welch langen Atem es braucht, um Veränderungen zu bewegen. Und vor allem braucht es: Mut und Zusammenhalt!

Ich habe das Buch oft mit einem Kloß im Hals gelesen, weil das, was Cho Nam-Joo beschreibt, wohl jeder Frau in vielfältigen Ausprägungen begegnet. Es macht mich wütend und gleichzeitig bedrückt.