Frau sein in Südkorea

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miro76 Avatar

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Kim Jiyoung, ist 33 Jahre alt und eher ungewollt Hausfrau und Mutter. Ihre Tage erfüllen sie nicht und möchte sie sich einmal was gönnen, wird sie als Schma-mama-rotzer bezeichnet. Da beginnt sie plötzlich mit verschiedenen Stimmen zu sprechen. Es sind Stimmen der Frauen aus ihrem Umfeld, manche lebend, manche tot.

Wie kam es so weit mit Jiyoung?

Immerhin konnte sie studieren und ihre Fachrichtung schon selbst wählen! So viele Möglichkeiten hatte ihre Mutter noch nicht.

Doch auch Jiyoung musste Zeit ihres Lebens mit Misogynie kämpfen. Schon Zuhause mussten die Mädchen im Haushalt und bei der Heimarbeit helfen, während ihr Bruder verwöhnt wurde.

In der Schule waren die Mädchen einer strengen Kleiderordnung unterworfen, während sich die Jungen frei bewegen durften und selbstverständlich durften die Mädchen erst nach den Jungen in der Mensa essen. Ob dann noch genug Zeit blieb um ordentlich zu kauen, interessiert hier niemanden.

In Studium und Arbeitswelt ist es dann nicht wirklich anders. Jiyoung arbeitet härtet und effizienter als ihre männlichen Kollegen, wird trotzdem nicht befördert und verdient auch um ein Drittel weniger. Aber richtig schlimm wurde alles erst, als sie schwanger war. Eine 80 Stunden Woche lässt keine Kinderbetreuung zu und flexible Arbeitszeiten gibt es in dieser leistungsorientierten Gesellschaft nicht. Jiyoung hat keine Wahl. Sie muss ihr Kind selbst betreuen und das bedeutet, sie muss ihre Arbeit, die sie geliebt hatte, kündigen.

Obwohl ihr Mann sehr verständnisvoll ist, ist auch er ein Kind dieser Gesellschaft. Seine Versicherungen, sie zu unterstützen helfen Jiyoung nicht, denn sie kann sehr wohl sehen, dass für das Kind beide verantwortlich wären. Doch von Gleichberechtigung ist Südkorea noch Jahrzehnte entfernt.

So lässt Cho Nam-Joo ihre Protagonistin sämtliche Stoplersteine im Leben einer selbstbestimmten Frau erleiden. Kim Jiyoung steht hier für alle südkoreanischen Frauen, die an den gesellschaftlichen Strukturen scheitern und schlussendlich mit einem Doktortitel in der Tasche als Eisverkäuferin landen.

Den Roman hat die Autorin gespickt mit Fakten und Zahlen. So liest sich das Buch stellenweise fast wie ein Sachbuch. Es ist ein Kompendium über die Geburt des Feminismus in Südkorea, zeigt Schwachstellen und Fallen auf und wie tief verwurzelt misogyne Ansichten in der Gesellschaft sind. Es wird wohl noch Jahre dauern, bis sich Familie und Berufsleben dort vereinbaren lassen.

Ich habe Kim Jiyoung's Geschichte mit großem Interesse gelesen. Zum Teil macht es mich fassungslos, mit welchen Vorstellungen die Frauen da zu kämpfen haben und zum Teil finden wir diese Probleme in zwar abgeschwächter Form auch in unsere "modernen" Welt.

Ich bin froh, diesen Roman gelesen zu haben und fand den Blick in diese fremde Kultur sehr interessant. Und ich kam verstehen, dass Kim Jiyoung ihr Scheitern nicht so einfach hinnimmt. Sie flüchtet sich in bekannte Charaktere, wer weiß, was ich gemacht hätte, wäre ich zu so einem Leben verdonnert.