Gesellschaftlich gefangen in Südkorea

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frischelandluft Avatar

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Es ist nicht das erste Buch über diese Thematik und die Thematik ist leider wirklich nicht neu. Ich kann verstehen, dass es im Kontext von Südkorea ein wichtiges Buch ist, weil das Thema Vereinbarkeit von Karriere und Familie dort noch mehr tabuisiert wird als hier und heute. Die Stigmatisierung und Benachteiligung der Frau, die ihren Beruf verlässt und sich um die Kinder kümmert, gibt es bei uns auch noch, doch nicht in dem Maße wie dort. Auch hier ist es schwierig, die Entscheidung zu treffen, Beruf oder Kinder. Wer sagt, es geht problemlos beides, ist für mich unglaubwürdig. Meistens ist es nach wie vor für die Frauen schwieriger, weil meistens die Männer als Mehrverdiener im Beruf bleiben. Allein das ist schon ein Kernproblem, dass die Arbeit nicht übergeschlechtlich gleich honoriert wird und dass Männer nach wie vor auf der Karriereleiter bevorzugt werden. Der Ton der Erzählerin ist sehr nüchtern, das ist ok, mir fehlen aber mehr persönliche Details, um die individuelle Protagonistin greifbarer zu machen. Doch gerade durch die Kälte und Härte wird auch sprachlich das gesellschaftliche Gefängnis um die junge Mutter gebaut, die sich nicht mehr zu helfen weiß. Sie wird gerade durch den nüchtern distanzierten Stil exemplarisch für alle Frauen in ihrer Situation.
Es ist kein literarisch schönes Buch, aber es ist interessant und bleibt auch nach dem Lesen noch einige Zeit im Kopf. Die Erzählung gewinnt sehr durch den doppelten Perspektivenwechsel am Ende, doch ich will nicht spoilern.