Hochaktuell und ein Lese-Muss in 2021

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ver.le.sen Avatar

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Dieses Buch steht völlig zu Recht im spotlight und sollte gelesen werden. Nicht nur von Frauen, die sich in derselben Position befinden, sondern gerade auch von Männern.

Kim Jiyoung ist vieles. Sie ist Enkelin und Tochter, Angestellte, Mutter, Ehefrau, Freundin, Hausfrau. Und sie ist verrückt.

Dieser schmale Band erzählt anhand der Lebensgeschichte Jiyoungs davon, wie zerrissen viele Frauen im heutigen Südkorea sind. Sich aufzuarbeiten bis man nicht mehr weiß, wer man eigentlich ist. Der Versuch, allen Ansprüchen gerecht zu werden und dabei schlechter bezahlt, behandelt und schließlich ganz unter den Teppich gekehrt zu werden. Das mag wie ein alter Schuh klingen, aber erstens ist dieses Lied nie alt bis sich endlich etwas geändert hat. Zweitens ist es ein wirklich gut geschriebener Roman. Der Erzähler führt uns durch Jiyoungs Leben, ihre Schulzeit, das Verhältnis zu ihrer Familie und Freunden, Männern und Frauen, durch ihr Erwachsenwerden bis heute.

Dies geschieht in einer auffallend neutralen Erzählweise, die eher an Berichterstattung erinnert. Und doch hat mich diese Geschichte während des Lesens so aufgewühlt und wütend gemacht. Vielleicht gerade, weil sich keine erkärenden oder bedauernden Worte zwischen den Zeilen finden. Weil nie jemand aufsteht und sagt „Moment mal, so geht das nicht. Das müssen wir ändern.“ Die einzigen, die so etwas sagen, sind die Betroffenen selbst. Und meist denken sie es nur. Denn sie haben sowieso nicht genug Macht, etwas zu ändern.

Dieses Buch hat mich sehr bedrückt und traurig gemacht. Allein das ist es wert, es zu lesen. Denn Dinge, über die nicht gesprochen wird, werden so bleiben wie sie sind. Die Thematik ist so alt und doch so aktuell, dass man sich die Haare raufen könnte.

Neu gelernt habe ich auch, dass es Frauen in Südkorea genau so geht wie hier, oder besser gesagt: statistisch gesehen sogar schlechter. Nicht nur sind die Erwartungen höher und strenger, auch das Machtgefälle ist noch größer als hier in Europa.

Ich habe dieses Buch an einem Nachmittag verschlungen und weiß, dass es noch sehr lange in mir nachhallen wird.
Absolute Empfehlung!