Lesenswert, aber zu pseudowissenschaftlich

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thirteentwoseven Avatar

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Im dem Buch "Kim Jiyoung, geboren 1982" von Cho Nam-Joo wird das Schicksal von Kim Jiyoung geschildert, einer jungen, modernen südkoreanischen Frau, die unter dem Widerspruch von Tradition und Moderne leidet und schließlich sogar daran zerbricht und psychisch krank wird.

Einerseits steht sie stellvertretnd für alle jungen, emanziperten und gebildeten jungen Frauen, die sich in dem klassischen Dilemma von Beruf, Familie und Tradition finden und so manche über Jahrhunderte gewachsene Ungerechtigkeit ertragen, andererseits ist sie durch ihre psychische Erkrankung mit schizophrenen Zügen besonders und einmalig.

GUT finde ich die Darstellung:

wie althergebrachte Traditionen und Frauenbilder, das Leben der heutigen Frauen bis jetzt nachhaltig beeinflussen.

wie viel Einfluss diese alten Denkschemata auf das Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein der Frauen haben

Wie Karrierefrauen mit ihrem "männlichen Vorgehen und Handlungsmustern" der Frauenemanzipation sogar eher schaden

NICHT GUT finde ich:

die Verquickung von JiYoungs psychischer Erkrankung mit ihrer Lebensgeschichte. Ich weiß, dass so eine Erkrankung in erster Linie körperliche Gründe hat. Umstände und Belastungen begünstigen zwar den Ausbruch, sind aber eher Auslöser und nicht Ursache.

Da das Schicksal von Kim Jiyoung für das Schicksal der südkoreanischen Frau steht, finde ich eine Verallgemeinerung wie auf dem Klappentext (Umschlag innen, vorne) sehr gefährlich.

Die Krankheit zu wenig thematisiert wird und mehr oder weniger nur auf die Lebensumstände zurückgeführt wird.

Keine Lösung für das Dilemma der Frauen angeboten wird. Tatsache ist nunmal, dass Frauen Kinder bekommen und nicht Männner.

Keine Kritik am Wirtschafssystem geübt wird, das Leistung und Einkommen in den Vordergrund stellt

Durch die vielen Fußnoten und die Erzählung durch Jiyoungs Psychiater erhält das Buch einen (pseudo)wissenschaftlichen Charakter.

Fazit: Dies ist ein Buch, das sich für die Emanzipation der Frauen ausspricht. Es deckt althergebrachte Denkmuster und Verhaltensschemata auf. Es bietet aber keine Lösungen oder Visionen. Es kommt pseudowissenschaftlich daher und verquickt Krankheit mit Realität.
Das Ende ist desillusionierend, denn auch der erzählende Psychiater, der durch Jiyoungs Geschichte sensibilisiert sein müsste, handelt nach dem Muster. Money first!

Trotz dieser Schwächen ist das Buch sehr lesenswert und regt zum Nachdenken und Ändern an.