Unbedingt lesen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
eulenmatz Avatar

Von

MEINUNG:

Asiatische AutorInnen, wie Han Kang, Kanae Minato und Sayata Murata gehören seit einiger Zeit fest zu meinem persönlichen Lesestoff. Ich stelle immer wieder fest, wie sehr unsere/ meine westliche Prägung von der östlichen in Asien unterscheidet. Ich mag auch den meist recht unaufgeregten Schreibstil, der im großen Gegensatz zum Inhalt der Erzählten steht. Für mich war absolut klar, dass ich Kim Jiyoung, geboren 1982 lesen muss.

Kim Jiyoung, geboren 1982 erzählt die Geschichte von der fiktiven Jiyoung (in Asien steht immer der Nachname an erster Stelle), einer Südkoreanerin Ende 30. Die Geschichte beginnt damit, dass Jiyoung ein recht seltsames Verhalten an den Tag legt und sich scheinbar in einer ernsthaften Psychose befindet. Dann springen wir zurück in ihre Kindheit, die mit dem Kennenlernen ihrer Eltern beginnt. Jiyoung hat noch eine ältere Schwester und einen jüngeren Bruder. Sie ist in einer Zeit geboren, wo die Geburt von Jungen sehr wichtig war und Mädchen zum Teil abgetrieben worden sind. Mädchen müssen in jeder Hinsicht hinter ihren Brüdern zurück stecken. Es geht soweit, dass sie sogar arbeiten gehen müssen, nur um die Bildung der Brüder zu bezahlen.

Es wird ganz klar deutlich, das Südkorea zu dieser Zeit absolut von Männern dominiert wird und Frauen ein stückweit schlicht als wertlos betrachtet werden. Wer sich viel mit feministischen Themen beschäftigt, wie ich es auch tue, kann sich denken, was hier noch für Themen kommen. Frauen und Männer sind keinerlei Weise gleichberechtigt. Sexuelle Belästigung ist an der Tagesordnung und die Schuld dafür bekommen immer junge Mädchen/ Frauen. Es geht soweit, dass junge Südkoreanerinnen schon frühzeitig Angst vor Männern haben, so auch Jiyoung. Beim Lesen habe ich mich innerlich sehr oft aufgeregt und diese Ungerechtigkeiten gingen mir sehr nah. Jiyoung kann zumindest studieren, anders als ihre Mutter, aber sie hat es auf dem Arbeitsmarkt schwer und ihre vermeintliche Karriere ist praktisch zu Ende, wenn sie das erste Kind bekommt. Ein Fakt, der durchaus auch in unserem Land zu beobachten ist. Es wird deutlich, dass jungen Frauen, denen nach Beendigung der Schule scheinbar noch eine ganze Menge Möglichkeiten offen stehen, unglückliche und unterforderte Frauen werden, sobald sie Mutter werden.

Cho Nam-Joo erzählt in einer sehr klaren, minimalistischen Sprache. Sie beschreibt einfach wie die Situation für Frauen, wie Jiyoung, geboren zu der Zeit ist. Die Autorin wertet nicht. Es liest sich dadurch eher wie eine Biographie oder ein Lebensbericht. In meinen Augen gibt keine klassischen Spannungsbogen, keine Beschönigung, keine Wenden, sondern sie erzählt ganz nüchtern die Realität.

Zusammen mit Jiyoung erleben wir allerdings auch, wie sich Südkorea langsam wandelt im Sinne der Gleichberechtigungen von Frau und Mann. Das Land ist noch lange nicht dort, wo andere westliche Länder, wie z.B. Deutschland sind, aber auch dort hat man scheinbar erkannt, dass hier etwas getan werden muss. Ich hoffe, dass Buch viele PolitikerInnen lesen werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass es dem Land die Augen öffnen könnte. Für uns, die aus westlichen geprägten Ländern kommen, ist es in meinen Augen ein wichtiges Buch, um anderen Kulturen besser verstehen zu können und nicht die eigenen gewohnten Maßstäbe anzusetzen.

FAZIT:

Kim Jiyoung, geboren 1982 ein Buch, welches in Südkorea Wellen geschlagen hat und sogar im Parlament als Pflichtlektüre verteilt wird. Cho Nam-Joo hat ein sehr nüchternen Schreibstil, der es mehr wie eine Biographie als einen Roman erscheinen lässt, dennoch haben genau diese Erzählungen eine wirklich große einschlagende Wirkung. Auch wenn mir schon einiges bekannt war, habe ich mich doch häufig innerlich sehr aufgeregt. Unbedingt lesen, vor allem aus dem kulturellen Aspekt her.