Wie Frauen leben

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Inhalt
Kim Jiyoung ist eine junge Frau, die gerade ihr erstes Kind bekommen hat, um das sie sich zukünftig kümmern will. Doch zeigt sie rasch seltsame Verhaltensauffälligkeiten, die ihren Mann Chong Daehyon zunehmend ängstigen. Eine Psychotherapie soll Kim Jiyoung mehr Seelenfrieden bringen – ein unmöglicher Wunsch, wie sich zeigt, als sie beginnt, ihre Lebensgeschichte aufzuarbeiten. Denn es ist die Geschichte einer Frau in einer männlich zentrierten Gesellschaft.


Meinung
Nam-Joo Cho hat in ihrer nüchternen, zurückgesetzten Erzählung auf das Leben einer fiktiven Figur zurückgegriffen, die für Millionen Frauen weltweit stehen könnte. In einem hohen Tempo greift sie alle Lebensereignisse von Geburt, über Schule und Universität bis hin zum Familienleben auf. Wer große Gefühle oder genaue Beschreibungen erwartet, ist falsch, denn es handelt sich nicht um einen Roman. Manchmal wirkte Chos Werk wie die Aneinanderreihung diverser Zeitungsartikel, die mein Leben begleitet haben. Sei es in etwa Kims Mutter, die das dritte Kind abtreibt, da es wieder ein Mädchen wird, obwohl sie das gar nicht will (in Südkorea gab es Geburtenkontrolle). Dass weibliche Familienmitglieder auf alles zugunsten der männlichen verzichten und nur für deren Vorankommen arbeiten. Dass Mädchen schon früh Belästigungen auch und gerade in der Schule über sich ergehen lassen müssen und so kein Vertrauen zu Männern aufbauen können. Dass sie hart arbeiten, gut gebildet sind, aber dennoch im Job nicht vorankommen. Oder sogar aggressiv auf ihr Geschlecht verdammt werden, wenn z. B. jemand in der Toilette eine Kamera installiert und heimlich mitfilmt – und wie (männliche) Vorgesetzte mit so einer Situation umgehen.
Das alles ist von der Autorin mit Fußnoten belegt worden. Es handelt sich ausnehmend um reale Fälle, die hier von der Autorin für eine Figur zusammengefasst wurden. Dass es trotzdem so glaubhaft wirkt, ist das Erschreckende daran.
Es liest sich manchmal ein wenig trocken und vielleicht wäre es ratsam, sich schon einmal grob mit der Gesamtthematik auseinandergesetzt zu haben. Ob Neulingen oft klar ist, was genau das alles für eine Frau in einer zumindest ähnlichen Position bedeutet, kann nur vermutet werden. Das ist auch ein kleines Manko des Buches, denn Nam-Joo Cho liefert keine Erklärungen, keine großen Gefühle. Leider auch keine Lösungsvorschläge. Aber sie sensibilisiert für ein ungemein wichtiges, gesellschaftliches Thema. Kim Jiyoung heißt die junge Frau in Südkorea. Und wie heißt sie in Deutschland? Italien? Frankreich?