Lasst uns unsere Erziehung reflektieren!

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Rezension zu "Kindern mehr zutrauen" von Michaeleen Doucleff

Hand aufs Herz liebe Eltern. Wir würden unseren Kindern doch nur zu gern alles abnehmen, sie vor allem beschützen. Doch wie heißt es so schön; "Kinder, die nichts dürfen, werden Erwachsene, die nichts können." Das ist so wahr, dass es manchmal weh tut, wenn die lieben Kleinen (oder dann schon die großen Kinder) sich sehenden Auges in ein kleineres oder größeres Unglück stürzen und wir als Eltern daneben stehen und hoffen, dass sie zumindest was draus lernen.
Da ich meinem Kind auch mehr zutrauen möchte, konnte ich es kaum erwarten mit dem Lesen dieses autobiographischen Ratgebers und gleichzeitig Abenteuerromans zu beginnen.

Die 3jährige Tochter der Autorin heißt Rosy. Doch Rosy entwickelte sich im Laufe der Zeit gar nicht so rosig. Wutausbrüche und andere Katastrophen standen an der Tagesordnung und führten dazu, dass Michaeleen Doucleff zunehmen überforderter, verzweifelter und wütender wurde. Als sie eines Tages Angst davor hatte, dass der Morgen graut, weil das bedeutet, dass ihre eigene Tochter aufwachen wird, beschloss sie irgendwas jetzt einfach ganz anders zu machen und ist auf der Suche nach alternativen Erziehungsstilen um die halbe Welt gereist.
Dabei besuchte sie Mitglieder der indigenen Völker der Maya, Inuit und Hadza, führte Interviews, beobachtete und recherchierte parallel dazu viel in einschlägiger Literatur. Daher erzählt Doucleff in ihrem Buch nicht nur von ihren eigenen Erfahrungen und dem was sie auf ihrer Reise erlebt, sondern zitiert auch viele andere Autor:innen, was das Buch meines Erachtens inhaltlich sehr bereichert.

Die Autorin stößt dabei auf große Unterschiede zu unseren westlichen Erziehungsmethoden. In indigenen Kulturen werden Kinder viel stärker ins Leben eingebunden und ihnen Aufgaben übertragen. Der bekannte Spruch "Um ein Kind zu erziehen braucht es ein ganzes Dorf" wird dort gelebt. Dass dabei im Schnitt viel kompetentere, verantwortungsbewusstere junge Individuen rauskommen, überrascht nicht wirklich.

Das Buch ist sehr übersichtlich gestaltet und besonders praktisch finde ich die Zusammenfassungen nach jedem Kapitel. Der Schreibstil ist bedürfnisorientiert und die Autorin füttert uns Leser:innen mit vielen Beispielen, um die Theorie zu veranschaulichen.

Besonders gut gefällt mir der "TEAM"-Gedanke. Teamwork, Ermutigung, Autonomie und minimales Eingreifen sollen zum gewünschten Erziehungserfolg führen. Ich mag solche Eselsbrücken,da man sich ebendiese leichter immer wieder in Erinnerung rufen kann. Außerdem finden sich in dem Buch jede Menge Erlebnisberichte, die die Leser:innen in andere Welten entführen und das finde ich großartig.

Weniger gut gefällt mir die Frauenlastigkeit. Klar, in indigen Kulturen ist die klassische Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern wohl noch präsenter. Dennoch hätte man den Bogen in die westliche Welt im Jahr 2021 gendergerechter spannen können. Außerdem hätte ich mir sehnlichst Bilder gewünscht!

Alles in allem 4 von 5 Sternen!