Genial!

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„Sie sah aus wie eine verbrauchte Batterie“. Seite 129

Klapper heißt eigentlich Thomas, aber alle nennen ihn nur Klapper, was an seinem dürren Gestell, den langen, fettigen Haaren und einem Teint wie bei einem überbelichtetes Foto liegt.

Sechs Wochen Sommerferien verbringt er in seinem dunstigen Zimmer, seine treuesten Begleiter: eine erdig verklebte Computermaus und ein Killerspiel, das er mit der Hingabe eines Wahnsinnigen durchzockt.

Doch jetzt sind die Ferien vorbei, und wie Klapper mit der Begeisterung eines zum Schlachthof geführten Rinds feststellt: Die Scheiße – gemeint ist die Schule – geht wieder los.

Mit Axe Afrika unter den Lauchärmchen und einem schwarzen Metal-Shirt macht er sich auf den Weg.
Klapper ist der unangefochtene Freak mit den knackenden Knochen und dem hintersten Platz im Klassenraum – der König der Randfiguren, wenn auch mit eher wackeliger Krone.

Doch dieses Schuljahr hält eine Überraschung für ihn bereit. Denn plötzlich – als hätte das Universum endlich Sinn für Humor – schreitet ein mystisches Fabelwesen ins Klassenzimmer.

Die Neue.

Sie ist groß. Sie ist selbstbewusst. Sie setzt sich ausgerechnet neben Klapper. (Wahrscheinlich liegt’s am Afrika-Deo, denkt er.)

Passt !

So unerschütterlich wie ein freundlicher Stein erklärt das Mädchen, dass es Bär genannt werden will. Klapper findet sie sofort toll.

Aber halt! Das hier ist kein 08/15-Roman über einen nerdigen Typen, der sich unsterblich in ein taffes Mädchen verliebt.

Nein, das hier ist eine fein pointierte Sozialstudie mit mehr Humor, mehr Tiefgang und definitiv wenig Deo.
Voller trockener Pointen und scharfsinniger Reflexionen über die absurden Unzulänglichkeiten der Erwachsenenwelt – die man einerseits etwas überheblich belächelt und andererseits irgendwie auch liebt.

Klapper von Kurt Prödel ist ein Coming-of-Age-Roman, dessen kreative Wortkombinationen ich gefeiert habe:

„die abgasfarbene Klinik“ (S. 166), „struwwelpeterartige Finger“ (S. 178) oder „die totgeglaubte Birke“ (S. 239).

Der Roman lebt von seiner feinen, oft herrlich absurden Sprache.

Brillant fängt der Autor die Kommunikation der Jugend in den 2010ern ein, die sich auf ein Minimum beschränkt, aber durch innere Monologe ganze emotionale Universen entfaltet.

Die Jugendlichen blicken auf die kaputte Welt der Erwachsenen herab – distanziert, mit einem Hauch Arroganz, aber auch mit einer unterschwelligen Melancholie. Man will auf gar keinen Fall so werden wie sie … und ahnt gleichzeitig, dass es wohl doch passieren wird.

Klapper ist ein Roman, der berührt, mit seinem authentischen Erzählstil fröhlich und traurig zugleich werden lässt und einen noch lange nach dem Lesen beschäftigt. Ein Buch für alle, die Lust auf eine originelle, leise Rückreise in die frühen 2010er Jahre haben.