Eine Hommage an die (Neu)Anfänge

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Beim Öffnen des Leseprobe und dem Scrollen durch die ersten Seite, gefielen mir vor allem die Zitate, die sich alle auf Schaffensprozesse und die Verhinderung dessen bezieht. Der Wunsch nach Faulheit und Entspannung, dem Nichtstun und gleichzeitig dem Gefühl, etwas tun zu müssen oder zu wollen. Wodurch bereits kleine Probleme entstehen, die dann zu größeren heran reifen.
Darüber hinaus fiel mir sofort die Überschrift des ersten Kapitels auf "Anfangen" wie passend für die Thematik des Buches. Anfangen, ein Wort mit dem alles beginnt. Nicht nur dieses Buch, sondern auch jede unserer Handlungen und Vorstellungen.
Neben den Zitaten und der Überschrift, mit welchen die Autorin mich bereits abgeholt hat, konnte sie mich schon mit ihrem ersten Satz begeistern. Ich meine wer kennt es nicht, diesen nieseligen 31. Dezember - den für mich schlimmste Tag im Jahr, weil er immer etwas von Abschied und Neuanfang hat. Von großen Erwartungen und der Hoffnung, dass ab 24:00 Uhr mit einem mal alles besser sein soll, dass ich ein von einer Sekunde auf die anderer ein anderer, ein besserer Mensch bin, der ohne Altlasten ins neue Jahr starten kann. Genau aus diesen Gründen kann ich so gut mit Lars mitfühlen.
Die Autorin schreibt auf den ersten Seite eine Hommage den Regen und trifft damit voll ins Schwarze, auch wenn dieser nur sinnbildlich für all die Anfänge und Mitten steht, mit welchen wir etwas angehen. Der Schreibstil von Nele Pollatschek ist so poetisch und lässt sich dennoch leicht und flüssig lesen. Die kurzen Sätze sind prägnant und aussagekräftig, lassen aber dennoch ausreichend Spielraum für eigene Gedanken.
All die Gedanken der Autorin, all ihre Sätze aus der Perspektive von Lars, sind wie aus dem Alltag und damit so authentisch und wahr. Eine Identifizierung mit diesem Buch ist für mich dadurch von Anfang an möglich. Zumal es bereits in der Leseprobe so viele aktuelle Debatten und Thematiken der Gegenwart aufgreift. Dabei geht es nicht nur um das Weltgeschehen, Politik, das Klima und social media. Es schwingt stets etwas "Achtsamkeit" mit und spiegelt den Alltag und den Druck vieler Menschen wieder. Immerzu das Gefühl zu haben, etwas machen zu müssen, etwas angehen zu müssen, keine Verantwortung für sich zu übernehmen und in Sätze ein "ich" einbinden, anstatt eines "man". Das Gefühl, sich selbst therapieren zu müssen, nur noch zwischen To-Do Listen zu leben und sich von anderen Aufgaben aufhalsen zu lassen, für die man vielleicht gar nicht bereit ist.
Für mich steht das Cover sinnbildlich für den Spagat im Leben. Immerzu mit einem Bein auf dem Boden bleiben, nicht abheben dürfen, seine Träume aufgrund zu vieler Erwartungen nicht erfüllen können, aber gedanklich schon viel weiter weg. Das grau/schwarz des Nieselregens im Hintergrund, welches den Alltag darstellen könnte. Der triste Alltag, der einen immer wieder einholt. Ich bin gespannt, ob aus dem grauen Fischreiher am Ende ein rosa Flamingo wird.

Ich habe mich bereits auf den ersten Seiten in dieses Buch und den Schreibstil verliebt. Dabei hätte ich nicht gedacht, dass ich mich mit einem Mann, der bereits an einem ganz anderen Punkt in seinem Leben steht und der sich auch im Alter sicherlich noch ein paar Jahre von mir unterscheidet, so sehr identifizieren kann!
Dieses Buch ist ein Goldschatz, Danke Nele Pollatschek, für diese ersten wundervollen Sätze!
Es wird definitiv auf meiner Wunschliste landen.