Aberwitzig und zugleich berührend klug

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„Wenn es hart auf hart kommt, kann man alles schaffen, aber meistens kommt es weich auf weich, und da bleibt man besser liegen" (S. 63).
Dieses Buch hingegen sollte nicht liegen bleiben, es sollte gelesen und gefühlt werden und vor allem die Lesenden in ihrem Alltag abholen.
Nele Pollatschek nimmt uns mit zu 31. Dezember in den Alltag von Lars und schildert dabei, wie erfüllt das Leben ist und dies von uns oftmals doch nicht erkannt wird. Immer unter Druck zu stehen, etwas machen zu müssen, sich den Erwartungen der Gesellschaft anzupassen, das Leben sukzessive aufzuschieben und es nur noch in To-Do Listen zu verpacken - aus kleinen Problemen entstehen stetig größere.
Dabei ist das Datum dieser Handlung nicht zufällig gewählt. Wer kennt ihn nicht, den nieseligen 31. Dezember - ein Tag voller Abschied und Neuanfang, von großen Erwartungen und der Hoffnung, dass ab 24:00 Uhr mit einem Mal alles besser sein soll, dass sich von einer Sekunde auf die andere alles ändert, man ein besserer Mensch ist, der ohne Altlasten das neue Jahr beschreiten kann.
Das Cover steht meines Erachtens sinnbildlich für den Spagat im Leben. Immerzu mit einem Bein auf dem Boden bleiben, nicht abheben dürfen, seine Träume aufgrund zu vieler Erwartungen nicht erfüllen können, aber gedanklich schon deutlich weiter weg. Das schwarze Cover mit dem grauen Nieselregen, welches den tristen Alltag darstellt, von dem man viel zu häufig eingeholt wird. Dabei sollte aus dem grauen Fischreiher doch endlich ein rosa Flamingo werden.
Der Schreibstil ist genau so witzig, klug und einfallsreich wie der Protagonist selbst. Philosophische Gedankengänge tragen durch das Buch und Gegenstände wie Schrauben, Ordnung und Regen bekommen neben gesellschaftskritischen Aspekten eine ganz neue Bedeutung. Auf fast jeder Seite befinden sich herrliche Zitate, Post It’s sollten also bereitliegen. Dieses Buch lädt ein, den Protagonisten mit Mitgefühl zu betrachten, mit ihm in Resonanz zu treten und das Leben selber etwas mehr mit einem Lächeln zu beschreiten.

Ein Buch voller Klugheit, Witz und philosophischen Textpassagen. Ein Hommage an die Ordnung, die vielen kleinen (Neu)Anfänge und den Alltag, der häufig viel zu grau erscheint. Dieses Buch ist ein wahrer Goldschatz. Danke, Nele Pollatschek, für diese wundervollen Sätze!
„Ein paar Tage später sah es natürlich wieder ganz genauso aus, und Johanna sagte du solltest echt mal lernen, Ordnung zu halten, und ich sagte, dass ich nicht mal im Ansatz wüsste, was das überhaupt bedeuten solle, Ordnung halten, einen schweren Stapel Bücher könne man halten, einen Hund oder meinetwegen ein Fahrzeug, manchmal besser den Mund, aber Ordnung, die rinnt einem doch sofort durch die Finger" (S. 49).