Fast verkitschte Naturentspannung

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herr_stiller Avatar

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Meditativ oder esoterisch? Das ist ja eh ein schmaler Grat, wobei geneigte Leser:innen hier eher an Apps oder YouTube Tutorials denken und weniger an Kinderbücher. Aber: Bei „Kleine und große Wunder der Natur“ ist man hier gar nicht so weit weg. Ein entspanntes Vorlesevergnügen, das gelegentlich droht, ins Kitschige abzurutschen.

Gabby Dawnay nimmt uns mit in die Wälder, zu Rehen und Hirschkäfern, Bienen und Pilzen. Sie beschreibt in einfachen Worten, mit welchen Phänomen die Natur begeistert, wie Bäume miteinander interagieren oder was die Photosynthese ist. Ziemlich anschaulich, schon für kleine Kinder ab 4 Jahren, und wunderschön von Mona K illustriert.

Dawnay selbst bezeichnet sich auf ihrer Instagram Seite als Poetin (nicht direkt, sie beschreibt sich zunächst als Kinderbuchautorin und Kritzelerin und, recht sympathisch, als Bummlerin und Prokrastinateurin). Und ja, poetisch sind ihre Texte, aber, so ist das eben mit der Poesie – sie ist oft nah am Kitsch gebaut. Daher ist „Kleine und große Wunder der Natur“ kein Kinderbuch für jede:n. Man muss sich darauf einlassen, dass es plötzlich zu solchen Gedanken und Liedern wie hier bei Motte und Mond kommt:

„O Mond, lieber Mond, mit so lieblichem Schein, ich möchte verliebt sein und nicht länger allein. Aber wie soll das nur gehen? Stumm und klein, wie ich bin. Ohne Stimme zum Rufen … Wo flieg ich nur hin?“

Puh? Ja schon, ein bisschen. Ein bisschen schön aber auch. Und, jetzt sind wir wieder am Anfang: auch schön entspannend. Dawnay schreibt keine aufregenden, mitreißenden Geschichten über die Faszination Natur, sondern entspannte kleine Episoden, die die Fantasie anregen und gleichzeitig alles ein bisschen runterfahren. Ein Kinderbuch als Meditation vor dem Schlafgehen, eine kleine Traumreise durch das Leben eines Hirschkäfers oder den Pollensammeltag der Biene und dann eine gute Nacht und süße Träume von der Natur.

Ist so schlecht nicht und sieht dabei fantastisch aus. Auch dank der Haptik des Hardcovers mit Goldprint, der schönen Farben und der schon genannten Illustrationen. Und ein bisschen lehrreich ist es auch, denn jedes Kapitel schließt mit einer kleinen Zusammenfassung, einer Art Übersichtsblatt, deutlich sachlicher. Sollte man vor dem Schlafen nicht mehr vorlesen, das wirkt dann wie ein Werbespot nach der YouTube Traumreise - ein Rausreißer aus der Ruhe danach. Und die Eingangsfrage? Immer noch ein schmaler Grat – aber vermutlich ist das Buch eher meditativ. Entscheiden müsst ihr das selbst.