Topaktuelles Thema hochspannend verpackt!

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henrike von buchstabensalat.net Avatar

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Das Thema Klimakrise ist, wie wir alle wissen, topaktuell und wird so schnell auch nicht wieder verschwinden. Die Entscheidungen, die auf politischer Ebene getroffen werden, um auf den Klimawandel zu reagieren, reichen hinten und vorne nicht. Demonstrierende Aktivist:innen werden zu Verhandlungen aufgefordert, scheinbar ohne, dass den Entscheidungsträger:innen bewusst ist, dass es keinerlei Verhandlungsspielraum gibt und dass politische Kompromisse bei diesem Thema schlicht nicht möglich sind. Der Thriller Klima. Deine Zeit läuft ab haut genau in diese Kerbe:

"Seit Monaten fahndet das FBI erfolglos nach einem Terroristen. Die Zahl der Todesopfer steigt, doch der Mörder, der nur als »Green Man« bekannt ist, entkommt ein ums andere Mal. Jeder Angriff ist strategisch geplant, um ein Ziel zu zerstören, das die Umwelt bedroht. Und mit jedem Anschlag wächst die Schar seiner Anhänger.
Tom Smith, ein junger, unerfahrener Datenanalyst beim FBI, glaubt etwas entdeckt zu haben, das alle anderen übersehen haben. Doch als er sich Amerikas gefährlichstem Mann nähert, muss er sich die Frage stellen: Was, wenn der Mann, den er um jeden Preis aufhalten will, in Wahrheit versucht, die Welt zu retten?"
(Klappentext. )

Perspektiven und Protagonisten
Wir verfolgen die Ermittlungsarbeit der Behörden aus der Sicht von Tom Smith, einem kleinen Rädchen in der großen FBI-Maschinerie. Er ist als Datenanalyst Teil der Task Force „Green Man“ und in der Lage, Muster zu erkennen und Verhalten vorherzusagen. Zugleich ist er in Bezug auf den „Green Man“ zwiegespalten, denn ihm selbst liegt Klimaschutz sehr am Herzen. Er muss zwischen persönlichem Anliegen und der Arbeit, für die er bezahlt wird, trennen. Diese innere Zerrissenheit verleiht der FBI-Seite der Handlung das gewisse Etwas.

Aus der Perspektive des „Green Man“ erkennen wir dagegen die Ziele, die der als Terrorist abgestempelte Mann verfolgt. Warum wird ein Staudamm zerstört? Warum auf diese Weise? Warum die Yacht einer wichtigen Person versenkt? Warum wird das Töten von Menschen in Kauf genommen? Ist der „Green Man“ solo unterwegs, wie angenommen wird, oder hat er Hilfe bei seinen Taten? Wer ist der Mann überhaupt? Wann sind Taten wie die des „Green Man“ gerechtfertigt? Diese und viele weitere Fragen werden aufgeworfen und mit der Zeit beantwortet.

Dabei sind Tom Smith und der „Green Man“ nicht die einzigen perspektivgebenden Figuren. Auch Nebencharaktere bringen in einzelnen Kapiteln Verknüpfungen zutage oder erzählen uns Leser:innen ein Detail, das zur Auflösung eines Rätsels führt. Diese Wechsel – die übrigens nicht in Überschriften markiert sind, sodass man oft kurz nicht weiß, in wessen Kopf man eigentlich steckt – sind sehr raffiniert eingesetzt. Ich finde, man merkt an diesem Detail der Erzählweise, dass der Autor David Klass Erfahrung im Schreiben von Drehbüchern hat. Das beschreibt der Verlag auf der Infoseite und auf der Klappe des Buches, aber selbst, wenn ich das nicht gelesen hätte, wäre mir der Gedanke wahrscheinlich trotzdem gekommen. Denn ich konnte mir viele Szenen hervorragend bildlich vorstellen und es würde mich absolut nicht wundern, wenn dieser Thriller demnächst als Film adaptiert wird.

Politik
Neben der Ermittlungsarbeit spielt die Politik eine wichtige Rolle. So wird der Präsident der USA mit Charaktereigenschaften ausgestattet, die an Trump denken lassen und leider auch zu Entscheidungen führen, die mich beim 45. Präsidenten nicht überrascht hätten. Diese Entscheidungen führend wiederum zu Prioritätsverschiebungen im Ermittlungsprozess und das beeinflusst das Verhalten einiger Personen. Es ist gut erkennbar, wie eng diese Bereiche miteinander verknüpft sind und so langweilig das jetzt auch klingen mag – es war spannend zu lesen.

Wissenschaft und Klimaaktivismus
An einem bestimmten Punkt der Ermittlungen, den ich hier aus Spoilergründen nicht weiter erläutern werde, schaltet die Task Force einige Wissenschaftler und Forscher ein. Man versucht, das nächste Ziel des „Green Man“ herauszufinden, bevor es zu einem neuen Anschlag kommt. Dabei spielt auch die sogenannte Östersunduhr eine Rolle, die eine Art ablaufenden Timer darstellt und der Handlung Zeitdruck und Spannung verleiht.

„Wonach suchen Sie?“, fragte Grant.
„Nach der Östersund-Uhr.“
„Was zum Teufel ist das?“ Der alte Wachmann klang nervös.
„Eine Weltuntergangsuhr, die von einer Gruppe von Umweltschützern in Schweden betrieben wird. Vor zwei Wochen haben sie die Zeiger auf dreiundzwanzig Uhr fünfundfünfzig gestellt. Nur noch fünf Minuten bis zum Weltuntergang.“
(Seite 386 f.)

Bei meiner kurzen Suche nach dieser Weltuntergangsuhr habe ich zwar Östersund nicht gefunden (deshalb vermute ich, dass es sich hierbei um Fiktion handelt – gut vorstellbar ist das Szenario aber), aber eine andere Klima-Uhr. Diese zeigt an, wie lange es noch dauert, bis ein Temperaturanstieg von 2°C erreicht ist. Sie hat zwar noch keinen „es-ist-fünf-vor-12“-Effekt, aber schaut sie euch mal an, wenn euch das Thema interessiert.

Naturschutz-Organisationen spielen ebenfalls eine Rolle in Klima. Deine Zeit läuft ab. So wird neben einer Schulveranstaltung, bei der Schüler:innen über aussterbende Arten und Klimaschutz sprechen, und einer Demonstration à la Fridays for Future auch der Tagungsraum einer NGO dargestellt, in dem die Frage diskutiert wird, wie man sich als Organisation öffentlich zum „Green Man“ positionieren sollte: unterstützt man die Ziele oder stellt man sich gegen die Mittel?

Mir gefällt es sehr, diese vielen verschiedenen Facetten zu sehen. Meiner Meinung nach wird oft, wenn über die Klimakrise geschrieben wird, nur ein Problem herausgepickt, ein Detail. Oder es passiert das genaue Gegenteil: die Krise wird als zu großer Berg an Problemen dargestellt, als dass man etwas dagegen unternehmen könnte. Also lässt man es lieber gleich bleiben. Hier jedoch werden Facetten beschrieben und Probleme benannt, während das große Miteinander, die Klimakrise im allgemeinen, nicht als unüberwindbar erscheint. Gleichzeitig werden keine „einfachen“ Lösungen genannt.

Der Autor spielt nichts herunter oder behauptet, mit ein paar Anschlägen auf große Ziele sei das Thema erledigt. Stattdessen wird eine schwierige Situation aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und auseinandergenommen, ohne hinterher eine Art Allheilmittel zu präsentieren. Das finde ich sehr, sehr gut gelungen.

Schreibstil
Wie ich schon erwähnte, schreibt der Autor sehr bildlich. So kann ich mir den Aufkleber an der Stoßstange eines Autos sehr gut vorstellen, oder das Zimmer eines Teenagers. Auch große Ereignisse werden sehr detailreich beschrieben und gleichzeitig geht bei aller Liebe für Feinheiten die Spannung des Thrillers nicht verloren.

Ich habe leider bei vielen Büchern sämtlicher Genres die Erfahrung machen müssen, dass die Geschwindigkeit der Handlung, der Spannungsbogen, die flüssige Lesweise der Geschichte darunter leiden, wenn der:die Autor:in unbedingt ausschweifend beschreiben möchte. Als mir bewusst wurde, wie detailliert David Klass schreibt, hatte ich diese Sorge im Hinterkopf. Bis auf einen kurzen Durchhänger im letzten Drittel – als ich unbedingt wissen wollte, wie es weiter geht, aber die Handlung sich für meinen Geschmack ein bisschen zu lange mit einzelnen Persönlichkeiten aufgehalten hat – war Klima. Deine Zeit läuft ab aber sehr flüssig zu lesen und fesselnd geschrieben. „Spannend“ ist genau das richtige Wort, denn ich war beim Lesen oft ziemlich angespannt und neugierig: wie geht es weiter? Welche Hintergründe werden noch aufgedeckt?

Danksagung – aber die Muse fehlt?!
Der Verlag und auch das Buch selbst werben damit, dass der Autor durch „Gespräche mit seiner Tochter über den Klimawandel“ zu diesem Thriller inspiriert wurde. Das scheint ja sehr wichtig zu sein, wenn es so oft erwähnt wird. Vielleicht auch, um darzustellen, dass hier ein Autor der jüngeren Generation zuhört, die gerade auf den Straßen auf die Klimakrise aufmerksam macht. Nur leider wird diese Tochter in der ganzen Danksagung nicht genannt. Da sind die Frau, die Eltern, Agent, Lektorin, Berater und Freunde – aber ausgerechnet die Tochter, die werbewirksam als Muse genannt wird, die fehlt.

Ich weiß nicht, vielleicht ist mir das so wichtig, weil es für mich Anlass war, das Buch überhaupt in die Hand zu nehmen; der Gedanke, dass endlich mal jemand zuhört und die Gedanken und Sorgen einer ganzen Generation – die wohlgemerkt nicht (nur) die eigene ist, sodass man zu diesem Autor nicht „ach, werd‘ du erst mal erwachsen“ sagen kann – auf spannende und gute Weise in einem Roman umsetzt. Ich habe also vorausgesetzt, dass der Autor diese junge – meine – Generation schätzt und ihr zuhört. Dann in der Danksagung übergangen zu werden hinterlässt bei mir einen faden Beigeschmack. War die Tochter wirklich so wichtig im Entstehungsprozess dieses Buches? Oder wird das nur vom Verlag behauptet, damit jüngere Menschen – wie ich – das Buch kaufen? Wie auch immer es in Wahrheit abgelaufen ist, irgendwas kommt mir hierbei komisch vor. Und gerade weil Klima. Deine Zeit läuft ab mir so gut gefällt, stört mich das so sehr.

Fazit
Für mich ist Klima. Deine Zeit läuft ab ein sehr spannender und top aktueller Thriller, den ich total gern gelesen habe. Das Thema wurde großartig umgesetzt und das Buch liest sich einfach klasse. Ich werde definitiv nach weiteren Büchern des Autors Ausschau halten. Und das sage ich als Person, die sonst eigentlich gar keine Thriller liest!