Eine berührende Reise zu sich selbst

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irene123 Avatar

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In "Kokoro -Japanische Weisheiten für ein gelungenes Leben" begibt sich die britische Japanologin Beth Kempton auf Grund einer persönlichen Sinnkrise und privaten Schicksalschlägen auf eine Pilgerreise nach Japan, mit dem Ziel, das Geheimnis des "Kokoro" zu ergründen und wieder zu sich selbst zu finden. Sie besteigt die drei heiligen Berge von Dewa im Norden Japans und trifft auf ihren ausgedehnten Wanderungen die unterschiedlichsten Menschen, mit denen sie über die Bedeutung von "Kokoro" diskutiert. Dabei wird klar, dass es für "Kokoro" (das intelligente, achtsame Herz, das Körper und Geist verbindet) viele unterschiedliche Auslegungen gibt. So bedeutet "Kokoro" für einige "die Quelle unserer angeborenen Weisheit", für andere wiederum "das Medium für die Projektion der Seele nach außen". Trotz der häufigen Benutzung des Wortes ist es eigentlich unmöglich, den Begriff genau zu erklären.

Um sein eigenes "Kokoro" zu entdecken, ist es jedoch notwendig, in die Stille zu gehen. Für Beth Kempton, deren Leben perfekt durchgetaktet ist und ihr kaum Zeit lässt, zur Ruhe zu kommen, ist die Reise eine Offenbarung. Ihr wird bewusst, dass die einzig richtige Art zu leben jene von Moment zu Moment ist, fernab von beruflichen und privaten Verpflichtungen, ständigem Termindruck, materiellem Besitz und dem Zwang nach Sichtbarkeit. Wie die meisten Menschen ist auch Beth mit ihrem Kopf entweder in der Vergangenheit oder in der Zukunft, aber nur selten in der Gegenwart. In der Stille der Wälder und auf den hohen Gipfeln der Berge wird ihr bewusst, wie wichtig Entschleunigung in einer immer schneller werdenden Welt ist. Man kann die Schönheit und Einzigartigkeit unseres Lebens erst dann erfassen, wenn wir im Jetzt sind. Auch den Tod ihrer Mutter und ihrer besten Freundin versucht Beth Kompton auf ihrer Pilgerreise zu verarbeiten. Erst wenn man mit der Vergänglichkeit des Lebens konfrontiert wird, weiß man es zu schätzen, und so lernt Beth, dankbar für jeden Moment zu sein, den sie erleben darf.

Das Buch ist in insgesamt zwölf Kapitel unterteilt, die wiederum in drei Teile (entsprechend der drei heiligen Berge von Dewa: Selbstreflexion - Vergänglichkeit und Tod - Bewusstes Leben) aufgegliedert sind. Jedes dieser Kapitel beschäftigt sich mit einem der zwölf Prinzipien für ein gelungenes Leben. Am Ende jeden Kapitels gibt es eine Kokoro-Übung (bestehend aus Fragen, die man sich selber stellt) und einer Kokoro-Weisheit. Die Fragen dienen der Selbstreflexion und helfen herauszufinden, ob wir im Einklang mit unserem Herzen, unserem wahren Selbst leben oder durch Konditionierungen geprägt sind und die Erwartungen anderer erfüllen.

Mich hat das Buch von Beth Kempton sehr berührt. Die Autorin versteht es durch die Schilderung sehr persönlicher Erfahrungen, wie etwa den Tod ihrer geliebten Mutter und ihrer besten Freundin, Nähe zu den Leser:innen aufzubauen. Wir erfahren sehr viel Interessantes und Faszinierendes über die Lebensweise und die Lebensphilosophien Japans. Einige Erkenntnisse der Autorin waren so schön, dass ich sie in ein Notizbuch geschrieben habe, wie folgende Zeilen: "Ich überlege, wie das Leben wohl wäre, wenn wir allem, was uns wirklich am Herzen liegt, Beachtung schenken würden, in dem Bewusstsein, dass dies unsere einzige oder letzte Gelegenheit sein könnte und wir das Glück haben, es erleben zu dürfen."

Auch der Erzählstil der Autorin hat mir sehr gut gefallen. Der Ton ist ruhig, beinahe poetisch, manchmal auch etwas melancholisch, besonders bei den Themen Tod und Sterben. Der Autorin gelingt es sehr gut, das sehr komplexe Konzept des Kokoro den Leser:innen verständlich näher zu bringen. Von mir gibt es daher eine ganz klare Leseempfehlung für dieses Buch, nicht nur für Japan-Fans, sondern auch für all jene, die gerne über ihr Leben reflektieren und neue Sichtweisen darauf erlangen möchten.