Durchhalten lohnt sich

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anja.karge99@googlemail.com Avatar

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"Komplizin" von Winnie M Li ist ein eindringlicher und solider Roman über sexuelle Übergriffe in der Filmindustrie, der sich gut in die #MeToo-Bewegung einfügt, jedoch etwas Zeit braucht, um in Schwung zu kommen.

Erzählt wird die Geschichte aus Sicht von Sarah Lai, deren chinesisch-stämmige Eltern ein China-Restaurant in New York besitzen. Sarah arbeitet an einem College in New York als Filmdozentin, doch das war nicht immer so. Sie war schon immer ein größer Fan der Filmwelt und hat seit jungen Jahren davon geträumt, in der Filmbranche tätig zu sein. Als sie sich auf eine Stellenausschreibung für eine kleine Arthouse-Produktionsfirma bewirbt, wird sie als Praktikanten dort eingestellt und ihr Traum scheint wahr zu werden. Mit der Zeit übernimmt sie immer mehr Aufgaben und bald fällt ihr Talent Hugo North, Milliardär und später auch Investor für die Arthouse-Produktionsfirma, auf. Als sie für einen Filmdreh nach Hollywood geht, um dort an einem Film für ihre Produktionsfirma zu arbeiten, scheint der Erfolg zum Greifen nah. Doch die dunklen Seiten von Hugo Norths Charakter treten immer mehr hervor, wie auch seine sexuellen Übergriffe Norths ihr sowie anderen Frauen gegenüber. Nach Ende des Filmdrehs kehrt Sarah zurück nach New York und kehrt der Produktionsfirma nach der Übernahme durch North den Rücken. Zehn Jahre später, kontaktiert sie ein Journalist, der mehr über sie und ihre gemeinsame Zeit mit Hugo North wissen will. Während Sarah von den dunklen und schmutzigen Geheimnissen der Branche erzählt, wird ihr klar, dass sie selbst vielleicht nicht ganz unschuldig damals war.

Die Stärke des Romans liegt eindeutig in seiner detaillierten Beschreibung der patriarchischen, sexistischen und diskriminierenden Zuständen in der Filmindustrie. Der Autorin gelingt es gut, Sarahs Schuldgefühle und deren Komplexität einzufangen, und zwar in Bezug einerseits darauf, einen sexuellen Übergriff erlebt zu haben und andererseits in ähnlichen Situationen geschwiegen zu haben, zum Schaden anderen Frauen. Es wird hierbei ein vielschichtiges Bild der unterschiedlichen Charaktere und ein durchaus realistisches Bild der Filmbranche gezeichnet, ohne dabei in Polemik zu verfallen.
Die Schlagkraft des interessant und differenziert beschriebenen Themas würde insgesamt jedoch von einem mehr packenden und besonders am Anfang höheren Erzähltempo durchaus profitieren. So schaffte es die Autorin leider nicht, mich von der ersten Seite so zu fesseln, wie ich mir das erhofft habe. Anfangs werden mir zu viele Nebensächlichkeiten erzählt, wohingegen ich mir zum Ende hin es mir etwas an Tiefe fehlte.

Trotzdem ist "Komplizin" ein lesenswerter und inhaltlich fesselnder Roman, der schonungslos die dunklen Seiten der Filmindustrie aufdeckt