Überzeugend - ein Blick auf die Filmwelt und ihre Opfer

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penigram Avatar

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Komplizin behandelt ein Thema, das aktueller nicht sein könnte: Eine junge, hart arbeitende Frau wird Teil der aufregenden Filmwelt, und zunächst scheint es, als könnte sie in dieser Welt auch gewinnen - als könnte sie es mit ihrem Talent und ihrer Arbeit immer weiter nach oben schaffen. Aber schon bald muss sie mit den Schattenseiten umgehen: Nicht nur Überarbeitung, unfähige Chefs, lange verfestigte Machtstrukturen, sondern auch Männer, die ihre Machtpositionen ausnutzen und Mitwisser, die dieses System akzeptieren - und damit auch zu seiner Erhaltung beitragen. Viele Jahre später erzählt Sarah in einem Interview, was ihr widerfahren ist und setzt sich auch mit ihrem eigenen Gefühl der Schuld auseinander.

Die Aktualität des Themas hat mich gleich neugierig auf das Buch gemacht. Vor der Kulisse der Filmbranche, über die hier schonungslos und spannend berichtet wird, werfen wir einen Blick auf die Perspektive einer ehrgeizigen und talentierten Frau, die irgendwie beides ist: Opfer und auch Mitwisserin. Mir hat dieser differenzierte Blickwinkel sehr gefallen. Hier wird Aufmerksamkeit auf das gelenkt, was in den betroffenen Frauen und Mitwisserinnen vorgegangen sein muss, wie sie mit dem Erlebten umgingen und versuchten, weiterzumachen - aber auch auf ihre Träume, die mir manchmal in der Debatte zu kurz gekommen sind. Es ist nicht verwerflich, in dieser Traumfabrik Karriere machen zu wollen, auch nicht für eine Frau, und es macht immer wieder fassungslos, wie viele Karrieren talentierter, vielversprechender junger Frauen wohl auf diese Weise zerstört worden sind. Dieses System aus Macht, Missbrauch, Hoffnung und Schweigen wird hier dargestellt, mit einer überzeugenden Protagonistin, deren Zerrissenheit man immer wieder spürt.

Sprachlich erinnert der Roman eher an einen Bericht, aber dieser neutralere Tonfall passte gut zu der Tragweite der Geschehnisse. Es ist wichtig, immer wieder einen Blick auf Systeme zu werfen, in der jeden Tag Macht ausgenutzt wird, in der Machtgefälle geschaffen und zementiert und schließlich auch ausgenutzt werden, zum Vergnügen einiger weniger und zum Leid vieler. Dieses Buch bringt eine eigene Perspektive in diese Debatte und allein schon deshalb bin ich froh, mich damit auseinandersetzen zu können. Eine überzeugende und interessante Lektüre, die mich hier und da vielleicht nicht ganz so fesseln konnte wie erhofft, aber nichtsdestotrotz ein wichtiges und aktuelles Werk. 4,5 Sterne und eine Leseempfehlung gibt es von mir.