Wann beginnt (Mit)Schuld?

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leseclau Avatar

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Sarah ist Cineastin durch und durch. Und sie ist überglücklich, als sie in einer kleinen Film-Produktionsfirma als Assistentin anfangen kann. Bald ist sie dort unentbehrlich. Fleißig, hochprofessionell, unsichtbar. Sie fühlt sich wohl in dieser Welt und ist fasziniert vom Filmbusiness. In dieses steigt sie noch tiefer ein, als Hugo, ein super reicher Engländer, in die Firma investiert. Er verkörpert den Typ „was kostet die Welt“, schmeißt Partys und ist überzeugt, dass er mit seinem Geld alles bekommen kann, was er will. Und er will Macht. Macht über die Frauen in seiner Umgebung, Macht über den Film, Macht über die Firma.
Winnie M Li nimmt die Leser mit in die Welt hinter die Kulissen des Filmschaffens. Wir erfahren, wie viel Organsiation zu einem Dreh gehört, wie viele Menschen einen (unsichtbaren) Beitrag leisten und wie viel Zeit und Geld notwendig sind, um einen Film zu drehen. Das allein ist schon fast ein Buch wert.
Doch dies alles ist nur Mittel zum Zweck. Denn es geht um #metoo, es geht darum, was NEIN bedeutet, es geht um die typischen männlichen Spielchen um Macht, Überlegenheit und Stärke.
In Rückblenden erzählt Sarah ihre Geschichte und quält sich mit vielen Fragen. Was hätte sie als zuständige Verantwortliche am Set bemerken müssen? (Wann) hätte sie eingreifen müssen? Wann ist das Ganze eigentlich gekippt? Und (wie) hätte sie sich selbst schützen können?
Winnie M Lis Schreibstil ist dabei fast sachlich. Auch wenn Sarah ihre Geschichte in der Ich-Perspektive erzählt, bleibt sie eher dokumentarisch. Und trotzdem sind ihre Verzweiflung und Enttäuschung, ja fast Ohnmacht, überdeutlich spürbar.
Das Buch berührt, weil es ehrlich und selbstkritisch ist. Die Filmindustrie ist ganz fein und in vielen Nuancen beleuchtet – das macht alles sehr glaubwürdig.