Emotional, wertvoll und empfehlenswert!

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Nach dem Beenden des Romans durfte ich den beigelegten, geheimnisvollen Brief lesen. Er war vom Autor Jaap Robben selbst und sehr bewegend. Darin schreibt er über die Enstehungsgeschichte des Romans und die real zu Grunde liegenden Hintergründe und Menschen.
Seine Protagonistin Fieda Tendeloo ist fiktional und steht stellvertretend für viele Frauen ihrer Generation, nicht nur in den Niederlanden, sondern auch in seinen Nachbarländern.

Frieda ist heute 81 Jahre alt und lebt in einem Pflegeheim, da sie seit dem kürzlichen Tod ihres Mannes nicht mehr alleine leben kann. Ihr einziger Sohn, der selbst kurz davor steht das erste Mal Vater zu werden, ist einer ihrer wenigen verbliebenen Sozialkontakte. Frieda ist keine rüstige thoughe alte Dame, wie ich sie aus anderen Romanen kenne. Robben beschreibt sehr einfühlsam aus Friedas Sicht, wie es sich anfühlt, selbst bei intimsten Verrichtungen auf bezahlte Hilfe angewiesen zu sein und wie sie immer mehr die Kontrolle über sich selbst und ihr Leben verliert.
Aber ich lerne auch eine ganze andere Frieda kennen, eine ganz junge Frieda, voller Träume, Liebe und Hoffnungen. Es ist die Frieda der Vergangenheit, der, trotz der geschlechtervorgegeben Bergrenzungen der damaligen Zeit, viele Wege offen stehen.
Bis sie sich in einen verheirateten Mann verliebt, mit ihm eine Affäre beginnt und ungeplant und ungewollt schwanger wird…

Ich finde die Passagen aus dem Heute sehr gelungen. Die unausgesprochenen Themen zwischen Mutter und Sohn, die langsam an die Oberfläche drängen, fangen einen ganzen Generationenkonflikt ein.
In den Erzählsträngen aus der Vergangenheit thematisiert Robben unter anderem die strengen gesellschaftlichen Konventionen denen v.a. Frauen unterworfen waren. Mir als glücklich unverheiratetes Elternteil macht das deutlich wie viel sich seither geändert hat.
Die Eingangs erwähnte Universalität seiner Figuren macht den Roman zu einem Spiegel dieser Zeit. Diese Universalität lässt den Figuren auf der anderen Seite für mich zu wenig Raum für Indiviualität. Sie wirken manchmal wie Spielbälle ihrer Zeit und ihres Schicksals und dadurch sehr determiniert. Das wirft die Frage auf, wie frei wir (auch heute) wirklich in unseren Handlungen sind oder doch durch die Umstände und unser Umfeld gezwungen sind.
Spannend finde ich die Frage, wie und ob trotz tragischer Vergangenheit ein glückliches, gutes Leben möglich ist und welche Rolle Schweigen und Verdrängung in diesem Kontext spielt.
Der Erzählstil ist konventionell und hält trotz der am Ende etwas zu gewollt erzeugten Suspense wenig Überraschungen bereit. Das kann je nach persönlichen Vorlieben als angenehm zu lesen oder als vorhersehbar aufgefasst werden.

Unabhängig davon erzählt Robben mit Friedas wertvoller Geschichte entlang der Kontur eines Lebens und schafft dabei einen sehr lesenswerten und zu Herze gehenden Roman.