Totgeschwiegene Kinder kann man nicht vergessen

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violettera Avatar

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Das Cover ist abstrakt und wunderschön, auch geheimnisvoll. Puzzleartige Teile einer Lilie sind zu sehen, bruchstückhaft wie die Erinnerungen der Ich-Erzählerin Frieda, einer ehemaligen Blumenverkäuferin, deren Lebensgeschichte sich im Laufe des Romans entfaltet.
Sie ist inzwischen eine alte, hinfällige Frau, die von ihrem geliebten Mann zu Hause gepflegt wurde, bis dieser völlig überraschend starb. Einst war sie stark, eigenwillig, manchmal auch bockig. Nun ist sie allein und entwurzelt, schwach und sehr traurig. Sie wurde von ihrem Sohn in einem Pflegeheim untergebracht, hat keine Perspektive mehr. Das Bild der blassen Füße ihres Mannes, die unter der Decke der Krankentrage, mit der man ihn wegbrachte, herausragten, lässt sie nicht los und weckt schließlich alte Erinnerungen. Sehr gemächlich, dem Thema angemessen, lässt der Autor sie von ihrem Elend erzählen, bis lange verdrängte Erinnerungen in ihr aufsteigen und überraschend lebendig werden. Sie fügen sich im Laufe der Erzählung zu einer sehr berührenden Geschichte, voll einprägsamer Bilder aus der Zeit ihrer ersten großen Liebe zu einem verheirateten Mann, die zu einer ungewollten Schwangerschaft führte. Das war in den frühen Sechzigerjahren skandalös und nahm ein tragisches Ende. Die Erinnerungen geben Frieda nun endlich die Kraft nachzuforschen und sich zu ihrem Schicksal zu bekennen.
Friedas Geschichte ist sehr einfühlsam erzählt, vermittelt aber ein gesellschaftliches Thema, das jahrzehntelang tabuisiert und von den Betroffenen verdrängt wurde. Was geschah mit den totgeschwiegenen Kindern? Wie konnten die Mütter mit ihren traumatischen Erinnerungen weiterleben? Wie haben verdrängte Verletzungen ihr Leben beeinflusst?
Dem Sog dieses Buches kann sich wohl niemand entziehen.