Tragische Erinnerungen

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Kontur eines Lebens, Roman von Jaap Robben, aus dem niederländischen von Birgit Erdmann, 333 Seiten erschienen im DuMont-Buchverlag.
Eine erschütternde Geschichte aus einer Zeit, die noch nicht allzu weit hinter uns liegt.
Frieda eine selbstbewusste 20jährige Frau, die jüngste von vier Schwestern ist sehr streng katholisch erzogen worden, lebt wohlbehütet noch bei ihren strengen Eltern. Eines Tages lernt sie beim Eislaufen, den 11 Jahre älteren verheirateten Otto kennen, eine dramatische Liebesgeschichte beginnt, bis Frieda merkt, dass sie schwanger ist. Otto will sich nicht von seiner Frau trennen und ihre heuchlerischen Eltern setzen sie kurzerhand vor die Tür. Sechzig Jahre später, Frieda ist frisch verwitwet und pflegebedürftig, weshalb sie in einem Seniorenheim untergebracht wird. Sie hat nun viel Zeit auf ihre Lebensgeschichte zurückzublicken, mit Hilfe ihres Sohnes beginnt sie die Vergangenheit aufzuarbeiten.
Das Buch besteht aus 49 überschaubaren Kapiteln, als Erzählform hat der Autor den Ich-Stil aus der Sicht der Protagonistin gewählt, so ist es dem Leser möglich das Geschehen aus erster Hand mitzuerleben. In einem wunderschönen, flüssig zu lesenden Erzählstil geschrieben, mich haben etliche Stellen ganz besonders tief berührt, dies ist sicher auch der einfühlsamen Übersetzung von Birgit Erdmann zurückzuführen. Sätze wie „ Es kommt mir vor als würde ich mich selbst spielen“ oder „Manchmal war es kaum vorstellbar, dass dieser Mann bei seiner Haut aufhörte, während er für mich so viel größer war als sein Körper“, konnte ich direkt mitfühlen. Der ganze Roman, beide Erzählstränge, Vergangenheit wie Gegenwart haben mich überzeugt. Die Schilderung der Protagonistin, als sich eine Motte in einem Spinnennetz verfangen hat, und in ihrer Machtlosigkeit, gefangen in ihrem gehandicapten Körper das Tier nicht befreien zu können, ging mir tief ins Innerste. Auch die tragische Schilderung von Louis Ableben zu Beginn des Buches, Friedas Sehnsucht nach ihm und ihrem Zuhause haben mich sofort in Lesefluss gebracht, aufhören zu Lesen und das Buch zur Seite legen konnte ich erst nach dem letzten Punkt.
Alle Figuren sind authentisch und handeln nachvollziehbar, die einen auf sympathische Weise, die anderen weil es die damalige Zeit oder ihr Glaube es vorschrieben. Friedas Schicksal hat mich tief ins Herz getroffen. Dadurch, dass sich die Zeitebenen abwechseln, hat sich die Lesegeschwindigkeit bei mir noch gesteigert, denn jeder Abschnitt endet an einer äußerst spannenden Stelle. Man kann sich kaum vorstellen, dass zu Beginn der 60er Jahre, noch nach so strengen moralischen und dabei unmenschlichen Grundsätzen geurteilt wurde. Dass in männlicher Schriftsteller es geschafft hat, ein so einfühlsames emotionsgeladenes Buch zu schreiben, man mag es kaum glauben. Immer wieder konnte er mich mit seinen Worten, bzw. Schilderungen zu Tränen rühren. Für mich ein ganz besonderes Buch.
Ein Buch, welches man ganz vielen Lesern ans Herz legen möchte, von mir dafür 5 Sterne.