Eierlikör und Wurzelpeter

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Auf dem Cover eine Eierschachtel, ein Ei ist nicht mehr darin, sondern daneben - hier geht es um Herkunft, Zugehörigkeit, Abkehr. Dann einleitend ein Zitat von Didier Eribon, der 2009 in Frankreich mit einem Buch über soziale Herkunft Furore machte. Wir befinden uns nun aber nicht im Nordosten Frankreichs, sondern in Brandenburg, Jahrtausendwende, also nach der Wende, in der der östliche Teil von Deutschland plötzlich für den globalen Westen interessant, von der Politik in den Fokus gerückt, und dennoch in der Peripherie vernachlässigt wurde.
Wie so viele junge Menschen geht die Hauptperson Kathleen fort, ihr gelingt ein sozialer Aufstieg im Ausland. Das Buch ist in zehn Kapitel eingeteilt, die jeweils eine Rückkehr beschreiben. Die Autorin ist dabei ganz nah an den Figuren, man kann sie sich wunderbar vorstellen, und auch mitfühlen, wie zwiespältig sich die Situation für Kathleen darstellt. Einerseits ist sie sehr froh, nicht mehr an diesem wenig anregenden Ort, in solch einfachen Verhältnissen leben zu müssen, andererseits erfährt sie auf schmerzhafte Art jedesmal wieder neu, dass alles, was sie so furchtbar findet, ein Teil von ihr ist und bleiben wird, aber sie selbst als Person immer weniger ein Teil dieser sozialen Gemeinschaft sein kann. Feinsinnig beschriebene Charaktere und ein fließender Erzählstil lassen Sympathie für alle Seiten aufkommen, die, die geblieben sind, und die die es nicht ausgehalten haben.
Die Geschichte verzichtet auf den Klischee-Neonazi, zeigt, dass auch Menschen, die ihr Dorf so gut wie nie verlassen haben, weltoffen sein können. Ein ermutigendes Buch für alle, die nicht immer im Reinen mit ihren sogenannten Wurzeln sind.