Ein neues Leben, aufgegeben für ein altes Leben

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dicketilla Avatar

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Der Eierkarton auf dem Cover des Buches sagt bereits viel aus. Eier waren für jede Gelegenheit gut, im kleinen brandenburgischem Dorf Kosakenberg. Zahlungsmittel zu DDR Zeiten, Geschenk, Mitbringsel, Heimat. Doch genau wie das eine Ei verloren ging, so erging es auch der Hauptheldin Kathleen. Zur Wendezeit machte sich die Jugend der Dörfer auf in eine andere Welt. Endlich der Enge, der Perspektivlosigkeit entfliehen, den Mief des Dorfes hinter sich lassend, neue Länder zu erkunden, immer gen Westen, den Osten hinter sich lassend. Zurück blieben die Alten, aus ihrem Leben gerissen, sich schwer auf die Veränderungen einlassend, jedoch Zusammenhalt fanden, um der Trostlosigkeit zu entfliehen. Kathleen wollte weg, erst Studium und bald bekam sie einen lukrativen Job als Grafikerin in London. In einem Land, wo die Menschen freundlich waren und nicht so stoisch wie in ihrer alten Heimat. Bald ging der Name des Dorfes verloren, es blieb nur noch ein Straßenname übrig. Die Bahnhöfe verschwanden, leerstehende Häuser oder abgerissen.

Das Buch erzählt in 10 Kapiteln die Besuche Kathleens in ihr altes Dorf, in unterschiedlichen Zeitabschnitten, die mit Ereignissen der jeweiligen Zeit erkennbar gemacht wurden. Sie, die es geschafft zu haben scheint, erfährt keinerlei Anerkennung. Im Gegenteil, ihr wird nicht viel Sympathie entgegengebracht, wenn sie sich mit ihren Designersachen im Dorf bewegt. Sie bleibt stets diejenige, die gegangen ist. Selbst ihre Freundin Nadine aus Kindertagen begegnet ihr mit Kühle, wobei sie aber auch selbst wenig Interesse an den Menschen, sogar ihrer Mutter zeigt. Besuche werden oft Pflichtbesuche zu Hochzeiten oder Beerdigungen. Es scheint der Abnabelungsprozess gelungen, würden sich nicht immer diese Gefühle von Heimat, glücklicher Kindheit ihren Platz in ihren Erinnerungen erschleichen.

"Das Leben in Kosakenberg war wie Marmelade in einem Glas konserviert, ein anderes Jahrhundert."

Sabine Rennefanz erschafft mit ihrer Geschichte einen unsentimentalen Blick auf die Wendezeit, und was sie mit den Menschen macht, die ihrem alten Umfeld entfliehen. Was bedeutet Heimat, ist es der Ort, an dem wir aufgewachsen sind, oder ein neuer Ort, den man gefunden zu haben scheint. Ihren Figuren gibt sie ein unterschiedliches Gesicht. Besonders Nadine nahm hierbei einen besonderen Platz ein. Für mich ein außergewöhnliches und berührendes Buch, welches am Ende viel Platz für eigene Gedanken lässt.