Heimatgefühle

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Was passiert, wenn man weggeht, einfach alles hinter sich lässt und nur für kurze Besuche wieder zurück ins Heimatdorf kommt? Kathleen hat genau das getan, ist erst zum Studieren nach Berlin gezogen und später dann für einen Job als Grafikdesignerin nach London. Ihre Herkunft aus dem kleinen brandenburgischen Dorf Kosakenberg möchte sie dabei möglichst weit zurücklassen, doch so ganz klappt das nicht. Sabine Rennefanz erzählt Kathleens Ablösung vom Elternhaus in zehn Heimfahrten. Der Anlass ist manchmal ernst, manchmal nichtig, aber immer verändert sich Kathleens Blick auf ihre Herkunft und auf die Menschen, die vor Ort geblieben sind. Am Anfang sind es noch ihre jüngere Schwester, ihre Großmutter und ihre Eltern, die zu Hause auf sie warten, aber erst zieht ihre Schwester nach Australien, dann stirbt die Großmutter, der Vater verlässt den Ort und ihre Mutter bleibt allein zurück. Außerdem ist da noch ihre Kindheitsfreundin Nadine, die ebenfalls bleibt, vor allem weil sie früh ein Kind bekommen hat und offensichtlich auch keine Ambitionen hat, die Welt zu entdecken. Doch mit jeder Heimfahrt verschiebt sich etwas in Kathleens Wahrnehmung, sicher geglaubte Tatsachen lösen sich auf, Menschen treten deutlicher zutage und entsprechen nicht immer dem Bild, das sie sich von ihnen gemacht hat. Der Roman zeigt auf, wie wenig wir unsere Vergangenheit abschütteln können und wie sehr uns unsere Herkunft prägt. Das mögen keine neuen Erkenntnisse sein, doch schafft es die Autorin, die Ambivalenzen des Weggehens und Rückkehrens deutlich werden zu lassen. Eine große Rolle spielen dabei die in Kosakenberg allgegenwärtigen Eier, im Sozialismus ein beliebtes Tauschmittel, später ein gern gesehenes Mitbringsel zu allen Gelegenheiten und später dann ein erfolgreicher Verkaufsschlager als besonders authentisches und gesundheitsförderndes Nahrungsmittel für wohlhabende Berliner:innen auf der Suche nach Natur. Rennefanz erzählt nicht ohne Ironie, aber immer mit einem Hauch Melancholie. Ich habe diesen kurzweiligen Roman wirklich gern gelesen.