Zwischen alter und neuer Heimat

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monika85 Avatar

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Im Mittelpunkt von "Kosakenberg", dem neuen Roman von Sabine Rennefanz, steht die Ich-Erzählerin Kathleen. Großgeworden in der Enge des kleinen Dorfs Kosakenberg in Brandenburg, in dem jeder jeden kennt, zieht es sie 1997 nach dem Abitur zum Studieren nach Berlin. Ihr Weg führt sie nach München, Hamburg und wieder Berlin, ehe sie sich dazu entschließt, nach London zu ziehen, um dort bei der Zeitschrift "Design Review" als Grafikdesignerin zu arbeiten. Sie lässt außer ihren Eltern, der Großmutter und ihrer Schwester Annett ihre ehemals beste Freundin Nadine aus Kindertagen zurück.
 
Die Handlung zieht sich über einen Zeitraum von 15 Jahren, während dieser Zeit kommt es zu zehn Besuchen in der Heimat. Kathleen enttäuscht und schmerzt es, dass ihre Eltern sich nicht für ihr neues Leben in England interessieren, und sie schämt sich für ihr bescheidenes Elternhaus, als ihr südamerikanischer Freund Octavio sie bei einem ihrer Besuche begleitet. Auch die Freundschaft zu Nadine verändert sich, die beiden entfremden sich zunehmend.
 
Das Buch ist in intelligenter Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Die unterschiedlichen Charaktere sind klar skizziert und authentisch. Was Kathleen angeht, war ich etwas zwiegespalten, auf der einen Seite gefiel mir ihr Selbstbewusstsein und ihr Ehrgeiz, auf der anderen Seite mochte ich ihr bisweilen überhebliches Auftreten bei den Besuchen in der Heimat, vor allem ihrer Mutter gegenüber, nicht. Es fällt ihr schwer zu akzeptieren, dass es nicht jeden in die Welt hinauszieht und dass viele Dorfbewohner ein zufriedenes Leben führen. Die Kosakenberger leben in ihrer eigenen Welt, was außerhalb geschieht, scheint sie nicht zu interessieren.
 
Die Autorin schildert in jedem Kapitel, das einen aktuellen Besuch Kathleens beinhaltet, die Veränderungen im Dorfleben. Besonders gut gefallen hat mir das Kapitel mit Tamaras Hochzeit, das auch teilweise sehr humorvoll erzählt ist und die Kluft zwischen Kathleen und den Dorfbewohnern sehr eindrücklich beschreibt. Auch die Schilderung der sich verändernden Beziehung zwischen Kathleen und Nadine und den immer seltener werdenden Begegnungen ist der Autorin großartig gelungen. Das schwierige Mutter-Tochter-Verhältnis wird ebenso thematisiert wie die Ost-West-Probleme nach der Wende. Kathleen erinnert sich während ihrer Besuche an ihre Vergangenheit in Kosakenberg, und wir erhalten Einblicke in ihr Leben in London.
 
Das Buch hat mir sehr gut gefallen, während der Lektüre habe ich oft an meine eigene "alte Heimat" gedacht. Besonders berührend fand ich die drei letzten Kapitel und das hoffnungsvolle Ende, das Raum lässt für eigene Gedanken.
 
Absolute Leseempfehlung für diesen ruhig geschriebenen und fesselnden Roman über Heimat und Loslassen, Weggehen und Zurückkommen, der mich bestens unterhalten, aber auch sehr nachdenklich gemacht hat!