Eine neue Episode aus Holt

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petris Avatar

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Es sind wahrhaft kostbare Tage für Dad Lewis, denn es ist sein letzter Sommer, er hat Krebs im Endstadium. Die Schmerzen hat er im Griff, aber die Kraft wird weniger. Diesen letzten Sommer verbringt er mit seiner Frau Mary und auch die gemeinsame Tochter Loraine ist zurück in die Kleinstadt Holt gekommen, um diese kostbaren Tage mit ihrem Vater zu verbringen und vielleicht auch, um hier zu bleiben und einen Schlussstrich unter ihr altes Leben zu ziehen, das seit dem Unfalltod ihrer Tochter nicht mehr glücklich werden kann.
Das klingt nach unglaublich trauriger Geschichte, ist es auch, aber gleichzeitig ist es eine Geschichte voller Hilfsbereitschaft, Zusammenhalt und Hoffnung. Die Familie Lewis macht etwas aus diesen kostbaren Tagen, an ihrer Seite die Nachbarn und Freunde. Und in all der Trauer bleibt auch noch Platz für das kleine Nachbarmädchen, deren Mutter an Brustkrebs gestorben ist und die nun nicht nur von ihrer Großmutter umsorgt wird, sondern auch von Mary und Loraine und ihren Freundinnen Willa und Alene.
Wie immer bei Haruf tauchen auch wieder alte Bekannte aus anderen Episoden auf, unter anderem werden das alte Brüderpaar McPheron und die junge Frau, die sie aufgenommen haben, erwähnt (aus „Lied der Weite“). Man wartet beim Lesen schon richtig auf den ersten bekannten Charakter, irgendjemand erkennt man immer!
Kent Haruf hat mit seinem fiktiven Holt eine typische amerikanische Kleinstadt geschaffen. Die Menschen sind nicht viel herumgekommen, sie sind oft bigott und kleinlich, alles andere als liberal, mit Menschen, die anders sind, die kritisch sind (in „Kostbare Tage“ bekommt der Pfarrer Lyle sein Fett ab), tun sie sich schwer. Und dennoch gibt es ganz viele liebenswerte Menschen, die zusammenhalten, die da sind, wenn sie gebraucht werden, die Menschen beim Sterben nicht allein lassen, die Sorgen und Leid erleben und dennoch noch offen bleiben für andere.
Hier hat Haruf auch wunderbar beschrieben, wie es ist, jemand beim Sterben zu begleiten, wie sich Trauer und Abschied anfühlen. Und das macht er wie immer ganz schlicht und unaufgeregt, dabei hochliterarisch und unglaublich berührend. Ein wunderbarer Autor!
Kent Haruf muss man einfach lesen. Wie schön, dass er vom Diogenes Verlag übersetzt und verlegt wird. Ich habe jeden einzelnen Titel von ihm geliebt, aber „Kostbare Tage“ ist mein bisheriger Liebling.