Dengler für Fortgeschrittene

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Was für ein Buch! Die Nummer 10 unter den Denglerkrimis nimmt gefühlt alle Themen durch, die dem Autor Wolfgang Schorlau noch auf dem Herzen lagen. So ist Altbekanntes in neuen Zusammenhängen dabei, Brandaktuelles wie das Coronavirus und seine Begleiterscheinungen und natürlich ein Hauptthema; dieses Mal: kriminelle Machenschaften in Immobilienmaklerkreisen. Überall brisante Informationen, von denen einige mal wieder beinahe unglaublich scheinen! Das ist ziemlich viel und lässt den Leserkopf zuweilen rauchen, gleichzeitig wird es aber auch einfach wieder wahnsinnig informativ und spannend!

Der Stoff schien mir dieses Mal besonders umfangreich und hätte meiner Meinung nach gut für zwei Bücher ausgereicht. Trotzdem sind die Themen allesamt in gewohnt gewissenhaft tiefgründiger Weise recherchiert – auch das Thema Coronavirus wird bereits mit bewundernswertem Abstand facettenreich beleuchtet. Hut ab!

Und – ach ja – diese Menge hochbrisanter politischer Bildung verpackt Schorlau natürlich wieder verständlich und spannend in einen Dengler-Krimi:

Wie der Titel vermuten lässt, ist Privatdetektiv Georg Dengler den Großteil des Buches über in Berlin unterwegs und ermittelt, aufgrund von Angriffen auf Mieter in mehreren Kreuzberger Wohnungen, gegen die vermietende Immobilienfirma Kröger AG. Seine Liebste, Olga, ist mit dabei, die Stuttgarter Männerclique spielt erst gegen Ende eine Rolle. Dafür treten einige andere Figuren, nicht nur aus dem Immobiliengeschäft, hinzu, deren lebensnahen (?) oder jedenfalls wieder sehr glaubwürdigen Charakterausmalungen die gewohnt große Aufmerksamkeit genießen. Sie sind auch der Grund dafür, dass das Buch nichts für schwache Nerven ist und mich zusammen mit seinem Actionreichtum an Denglers siebten Fall „Am zwölften Tag“ erinnert . Wie mit diesem Band schon geschehen, soll auch „Kreuzberg Blues“ verfilmt werden.
Dengler (und damit auch Olga) werden im Film jünger dargestellt, womöglich wirken sie deshalb auch im Buch etwas agiler und geschickter – zumindest hatte ich nach den früheren Büchern oft einen etwas anderen älteren Eindruck von ihnen. Ich habe sie durchaus in ihrer Eigenart wiedererkannt, einige näher charakterisierende Beschreibungen der beiden zur Auffrischung wären mir nach dieser (von mir vermuteten) Veränderung des Alters aber durchaus willkommen gewesen. Aber womöglich ist Dengler über die Jahre als Privatermittler einfach erst richtig warm geworden und ich unterschätze seine Generation. Der Mann hat mittlerweile einfach auf einiges zurückzublicken.

Deshalb: Ein Muss für alle Dengler-Fans und eine Leseempfehlung für jeden, der die Immobilienwelt oder einfach unsere Gesellschaft auf unterhaltsame Weise ein Stückchen besser verstehen möchte.