I got the Blues

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Ja, beim Lesen dieses Buches wurde ich immer deprimierter. Und das, obwohl ich bisher alle Dengler-Krimis gelesen habe und weiß, dass Wolfgang Schorlau sehr realitätsnah schreibt und den Finger in die Wunde legt. Genau deswegen habe ich dieses mal in Dosen gelesen, das war für mich auf einmal gar nicht zu ertragen. Und ja, er greift wieder ein, nein zwei sehr aktuelle Themen auf. Hauptpunkt ist der Mietwahnsinn, den wir seit Jahren erleben, Sozialwohnungen, die vom Staat ohne Gewissen zur Füllung der leeren Kassen an Firmen verkauft werden, die das Wort sozial gar nicht zu kennen scheinen. Oder wie es die Tochter des Bauunternehmers Kröger so treffend erläutert: wir bauen keine Wohnungen für die Unterschicht, die Margen nach einer Luxussanierung sind für uns viel höher. Wir besorgen uns Geld von Investoren. Dann bauen wir . Wohnungen und Häuser... dann zahlen wir den Investoren Renditen auf ihr eingesetztes Kapital. Diese Renditen müssen höher sein als in anderen Anlagemöglichkeiten.
Wohnen wird zur reinen Ware, geldbringenden Investition in Zeiten niedriger Zinsen, eine Aktie, die sog. Normalsterblichen bleiben außen vor und werden in Großstädten in den S-Bahn Bereich und noch weiter raus verdrängt. In den Städten wohnt nur, wer es sich leisten kann. Also eine Art Selektion. Das ist seit langem zu beobachten und deprimiert entsprechend. Der Staat hat in einer seiner Grundaufgaben, Wohnungen auch für Sozialschwache zu schaffen, total versagt.
Schorlau erläutert dies gekonnt in einfacher Sprache in seinem Krimi, der als solcher eher spät zur Sache kommt. Deswegen ist er trotzdem nicht langweilig, alles läuft lamgsamer an, aber als Leser hat mich das nicht gestört.
Dengler und seine Freundin geraten in Berlin in die Folgen der oben genannten Wohnungspolitik und Profitsucht, dem Networking und Gewinndruck. Er erfährt es am eigenen Leib, als er in die Entmietung von Wohnungen gerät, in denen eine Freundin Olgas wohnt und wo mit allen Mitteln versucht wird, die "billigen" Mieter rauszuekeln. Durch seinen Detektivjob ist er auf einma ganz nah bei den Profis.
Wir immer, gut geschrieben, intensiv, deprimierend, kein Ausweg in Sicht.
Daneben erfährt man nur wenig aus dem eigentlichen Leben Denglers mit seiner Olga. Er ist ein wenig zu Geld gekommen und die Geschäfte laufen, da er untreuen Ehemännern auf Messen nachspürt ( auch mal interessant...) und ansonsten im zweitem großen Themenkreis , dem Lockdown als Folge der Pandemie im Frühjahr 2020 im eigenen Bekanntenkreis von Covid-Leugnern und Verschwörungstheoretikern erfährt. Er glaubt es kaum, als sein bester Freund allen Ernstes darstellt, dass Bill und Melinda Gates die WHO gekauft haben und aus einem noch zu findenden Impfstoff Profit machen wollen. Angela Merkel schränkt (wohl ganz allein) das Grundgesetz ein und der Virologe Drosten ist von den Gates gekauft worden. Schorlau verpackt auch dieses aktuellste aller Themen für mich sehr objektiv, es gehört zu uns derzeit wie die Miethaie.
Und daher: I got the Blues beim Lesen. Echte Unterhaltungslektüre ist für mich was anderes, das ging mir an die Nieren, doch Hut ab vor Wolfgang Schorlau ! Ein ganz wichtiger Autor in dieser Zeit, auch wenn die reine Krimihandlung diesmal vielleicht ein bissl zu kurz gekommen ist.