Schmutzige Geschäfte mit ganz viel Zeitbezug

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egan80 Avatar

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Der aktuelle Dengler eröffnet mitten auf einem aktuellen Konfliktfeld: Wohnungsnot. Die Mieter zweier Kreuzberger Wohnblöcke sollen durch schmutzige Tricks und Repression zum Auszug bewegt werden. Hinter diesem Vorgehen steckt der Immobilieninvestor Kröger, der die Wohnungen auf diesem Weg entmieten möchte, um sie deutlich teurer wieder auf dem Markt zu platzieren.

Bei einer dieser schmutzigen Aktionen wird jedoch die kleine Tochter einer Mieterin schwer verletzt. Diese ist allerdings befreundet mit Olga, der Lebensgefährtin von Georg Dengler. Dengler tritt auf den Plan….

Wolfgang Schorlau treibt in Kreuzberg Blues nicht einfach nur die ohnehin schon spannende Handlung erbarmungslos voran. Zusätzlich gibt es immer wieder Rücksprünge in die Vergangenheit auch der Antagonisten, die komplett neue Facetten der Akteure enthüllen. Der pausbäckige Jurist bekommt eine unerwartet düstere Seite, der knallharten Geschäftsfrau wird ein unerwartet menschlicher Kern zugestanden.

Diese Sprünge führen aber gerade im Mittelteil über eine längere Strecke dazu, dass die Handlung seltsam zerfasert wirkt. Die einzelnen Fragmente bleiben kurzweilig, aber der Zusammenhang will sich nicht recht einstellen. Dies wird natürlich im weitere Verlauf gegen Ende des Buches wieder aufgelöst. Trotzdem stellt sich mir hier die Frage, ob letztendlich weniger nicht doch mehr gewesen wäre.

Das gilt in gesteigerter Form für die letzten dreissig Seiten des Buches. Böse gesagt beschleicht mich hier das Gefühl, Schorlau hätte nicht so recht gewusst, wie er seine einmal angefangenen Handlungsstränge zu Ende bringen soll. So wird rund um die Corona-Pandemie ein neues Handlungsfeld eröffnet, seitenweise über Corona-Demos fabuliert, Attilla Hildmann und Bill Gates gestreift, Impf- und Maskengegner eingeführt, nur um einige Seiten später beinahe an Corona zu Grunde zu gehen. Kurz: Der Spannungsbogen findet sein natürliches Ende, aber der Roman geht halt noch weiter. Schade.

Letztendlich leistet dies aber der grundsätzlichen Lesefreude keinen großen Abbruch. Kreuzberg Blues ist ein routinierter Dengler-Krimi, den man an einem Wochenende in einem Rutsch durchlesen kann.

Für Dengler-Fans, und solche, die es werden wollen, eine absolute Kaufempfehlung!